Wie weiter mit dem Wohnen?

Auf Einladung des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat hat eine Informationsveranstaltung mit Liegenschaften Stadt Zürich stattgefunden. Diese ist auf reges Interesse gestossen. Dies vor dem Hintergrund der neuen Vermietungsverordnung und des neuen Mietreglements für städtische Liegenschaften.

Die Aula des Schulhauses Hirschengraben ist gut besetzt, am Mittwoch, 26. Februar 2020, rund 130 Personen haben sich eingefunden. Angesagt ist eine Informationsveranstaltung zu Fragen rund ums Wohnen, die auf Initiative von Bettina Tillmann und Andrew Katumba und auf Einladung des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat stattfindet.
Die rege Beteiligung verwundert nicht, denn in der Altstadt ist fast jede vierte Wohnung in einer städtischen Liegenschaft. Und vor einem Jahr wurde die neue städtische Vermietungsverordnung und das neue Mietreglement von Liegenschaften Stadt Zürich in Kraft gesetzt. Die Frage, inwiefern das Veränderungen für das eigene Wohnen zur Folge hat, treibt die Bewohnerinnen und Bewohner verständlicherweise um.
Peter Rothenhäusler, Präsident des Quartiervereins, begrüsst die Anwesenden. Er vergleicht die Altstadt mit einer Wohnsiedlung: Man kenne sich untereinander, habe einen guten Zusammenhalt. Dieser sei nun in Gefahr, weil neuerdings Vermietungen mit Hilfe eines Zufallsalgorithmus erfolgen. Zudem könnten langjährige Mieterinnen und Mieter nicht mehr wie früher die Wohnung tauschen. Und er appelliert an die Ligi, wie Liegenschaften Stadt Zürich umgangssprachlich genannt wird, den bestehenden Spielraum auch wirklich auszunutzen, um Schlimmeres zu verhindern. Und er schliesst: «Es liegt auch im Interesse der Stadt, dass das Quartier lebenswert bleibt.»
Felix Stocker, Vorstandsmitglied des Quartiervereins, übernimmt die Moderation und stellt vor: Heini Hummel, stellvertretender Direktor und Leiter Rechtsdienst bei der Ligi, Roman Völkle, Leiter Bewirtschaftung Wohnen und Gewerbe, und Christina Rüfli, Teamleiterin Bewirtschaftung Wohnen und Gewerbe.

Präsentation der Fakten
Heini Hummel ergreift das Wort und präsentiert die Fakten: Nach langer Vorbereitungszeit hat der Gemeinderat im Januar 2018 ohne Gegenstimmen eine neue Vermietungsverordnung erlassen. Diese wurde zusammen mit dem neuen Mietreglement auf den 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt. Beide gelten für neue Mietverhältnisse ab diesem Datum, für bestehende Mietverhältnisse nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Etwa Mitte 2020 wird die einseitige Vertragsänderung an alle Mieterinnen und Mieter verschickt.
Während bereits seit Jahren (einzig) bei Mietbeginn Belegungsvorschriften gelten und die wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden, gilt dies nun während der ganzen Mietdauer.
Es gibt eine Minimalbelegung pro Wohnung, in der Regel ist dies die Zimmerzahl minus eins. Hier gibt es Ausnahmen: Gefangene Zimmer können bei der Zählung der Zimmer unter Umständen abgezogen werden. Bei Auszug von Personen gilt eine Duldungsfrist von einem Jahr, bei Todesfall von zwei Jahren.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse: Das steuerbare Einkommen darf bei Mietbeginn viermal höher sein als die Bruttomiete und im Lauf der Mietdauer ansteigen auf das Sechsfache, wobei das Vermögen auch eine Rolle spielt (siehe links). 15 Prozent der Mietverhältnisse müssen die wirtschaftlichen Bedingungen nicht einhalten. Bei einer statistischen Erhebung vor einigen Jahren lag der Wert bei 17 Prozent. Dieser Prozentsatz dürfte durch Neuvermietungen noch sinken. (Sollte er trotzdem über 15 Prozent liegen, wären die höchsten Einkommen zuerst im Fokus.)
Untervermietung eines Zimmers ist erlaubt, wenn die Eins-zu-sechs-Regel eingehalten wird. (Auf diese Weise könnte auch die geforderte Mindestbelegung der Wohnung wieder erreicht werden.) Die Untervermietung der ganzen Wohnung ist während eines Jahres erlaubt, etwa für einen Auslandaufenthalt.
Die Einhaltung der Bedingungen wird alle zwei Jahre überprüft. Bei Nichterfüllung werden nach Möglichkeit zwei zumutbare Ersatzangebote gemacht (vor 2024 können es auch mehr sein), wobei das ganze Stadtgebiet als zumutbar gilt. Bevorzugt behandelt betreffend Wunschquartier werden Familien mit schulpflichtigen Kindern und Personen über 70 Jahren. (Personen über 80 Jahren wird ein Wohnungswechsel nicht mehr zugemutet.)

Offene Fragen beantwortet
Nach der Präsentation beantworten die drei Fachleute vorgängig vom Quartierverein eingereichte Fragen, anschliessend bleibt noch Zeit für Fragen aus dem Publikum.
Auf diese Weise ist weiter zu erfahren, dass man sich möglichst frühzeitig bei der Ligi melden soll, wenn die Wohnung zu gross ist, und ein Tauschgesuchsformular einreichen. Gegenwärtig stehen die Chancen noch gut, dass Wünsche nach dem Quartier berücksichtigt werden können. Die Bearbeitung der Gesuche erfolgt durch das «Vergabegremium Wohnen». Liegen passende akzeptierte Tauschgesuche vor, werden freie Wohnungen in der Übergangszeit nicht ausgeschrieben, sondern für Ersatzangebote genutzt. Dagegen gibt es kein «Recht» auf eine grössere Wohnung, etwa wenn die Familie Zuwachs bekommt.
Wenn man wegen Unterbelegung der Wohnung umziehen muss, wird die wirtschaftliche Eins-zu-sechs-Regel angewandt. Was sich als Problem erweisen kann, wenn sich das Einkommen über die Jahre verbessert hat. Dann muss man in eine entsprechend teurere Wohnung ziehen, unter Umständen kann die Stadt jedoch gar keine entsprechenden Angebote machen. (Es gibt stadtweit 53 Wohnungen in 15 Liegenschaften, die nicht nach dem Grundsatz der Kostenmiete angeboten, sondern zur Marktmiete vermietet werden.)

Gewachsene Strukturen zerstören?
Der Zufallsgenerator, der anstelle des «gesunden Menschenverstandes» zum Einsatz kommt, gerät heftig in die Kritik. Es ist vielen unverständlich, weshalb Menschen, die jahrzehntelang hier leben, durch einen Algorithmus ausgeschieden werden. Hier müsste die Politik wohl nachbessern.
Überhaupt, dieses Verfahren: Da werden vom Zufallsgenerator 50 Personen (aus 200 bis 400) ausgesucht und zur Wohnungsbesichtigung eingeladen. Weil darunter Leute sind, die einfach aus «Gwunder» mal auf dem Computer herumgeklickt haben, erscheinen am Termin gerade noch 30 Personen. Schliesslich bleiben der Ligi vielleicht ein Dutzend ernsthafte Bewerbungen für die Wohnung, welche die Bedingungen erfüllen.
Es gebe daher Überlegungen, sagen die Fachleute, die Zahl der zufällig herausgepickten Bewerbungen zu erhöhen.
Eine Grafik führt vor Augen: Es gibt im Kreis 1 vor allem kleine Wohnungen. Über die Hälfte der Wohnungen zählen höchstens zweieinhalb Zimmer, ein weiteres Viertel höchstens dreieinhalb. Umgekehrt gibt es nur sechs Prozent Wohnungen mit fünf oder mehr Zimmern.
Felix Stocker stellt in Aussicht, dass der Quartierverein mit der Ligi in Kontakt bleiben wolle und dass im Quartierverein eine Arbeitsgruppe Wohnen gebildet werden soll. Der politische Handlungsbedarf müsse im Auge behalten werden. – Peter Rothenhäusler schliesst mit einem Dank an alle Beteiligten.
Es war ein sehr anregender Abend, viele Fragen konnten geklärt werden, die Zeit ist rasch verflogen.

Elmar Melliger


Verrmietungsverordnung und Mietreglement
Vor fünf Jahren hat der Stadtrat die Weisung erlassen, eine neue Vermietungsverordnung für nicht subventionierte Wohnungen in Kostenmiete auszuarbeiten – von denen es in der Stadt ca. 7100, im Kreis 1 ca. 820 gibt.
Diese Vermietungsverordnung und ein Mietreglement wurden per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt. Nach wie vor soll die Stadt für eine gute soziale Durchmischung sorgen. Belegungsvorschriften verlangen, dass die Bewohnerzahl die Zahl der Zimmer minus eins nicht unterschreiten darf. Das Verhältnis des Bruttomietzinses zum steuerbaren Haushaltseinkommen darf bei Beginn eins zu vier, im Lauf des Mietverhältnisses eins zu sechs nicht übersteigen. Bei Einkommen unter 70 000 Franken gilt Letzteres nicht. Das 200 000 Franken übersteigende Vermögen wird zu zehn Prozent dem steuerbaren Einkommen zugerechnet. Werden die Bedingungen nicht eingehalten, welche mindestens alle zwei Jahre kontrolliert werden, so bietet die Stadt (bis zu einem Haushaltseinkommen von 230 000 Franken) nach Möglichkeit zwei zumutbare Ersatzwohnungen an. Lehnt man diese ab, erfolgt die Kündigung. (Bei 15 Prozent der Mietverhältnisse müssen die wirtschaftlichen Vorgaben nicht eingehalten werden.)
Das Mietreglement hält alle Einzelheiten fest. Es ist zu finden unter diesem Link.
EM