Rettung vor der Spekulation

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Unser Gastschreiber Bruno Hoefler hat als Erwachsener stets in der Altstadt gewohnt oder gearbeitet. Was es mit seinem Büro am Zähringerplatz Besonderes auf sich hat, verrät er in den folgenden Ausführungen.

Auf der Dachzinne Zähringerplatz 11 sitzen, ins Abendlicht blinzeln, Rundblick geniessen, Gedanken schweifen und Bilder vorbeiziehen lassen ist eines solchen Anlasses würdig: Vor dreissig Jahren ergriff ich als Mieter einer Etage die Initiative zur Rettung dieses ehrwürdigen Gebäudes vor dem Zugriff gnadenloser Immobilienspekulation. Mit einer entschlossenen Truppe an Mitstreitenden aus der Mitbewohnerschaft und Neuen, die ich für meine Idee begeistern konnte, gelang das Projekt trotz damaliger Hochzinsphase für Hypotheken von 7 bis 8 Prozent.
Mein Motiv? Als Stadtzürcher galt für mich seit jeher: Entweder in der Altstadt wohnen und wenn nicht, dann jedenfalls dort arbeiten.
In meinen Sturm- und Drangzeiten waren es WGs und kleine Büros in der Altstadt, wo ich meinen etwas speziellen Mix aus kaufmännischer und sozialpädagogischer Ausbildung gemeinsam mit ähnlich denkender Kollegen- und Mitarbeiterschaft zu vereinbaren suchte. Immer waren es markante Adressen in «meiner Zürcher Altstadt»: Gräbligasse, Spiegelgasse, Central, Schoffelgasse, Neumarkt – und ab 1986, zuerst als Mieter und ab Dezember 1989 als Stockwerkeigentümer meiner Büros am Zähringerplatz 11.
Mit der grossen Liebe, mit Paarschaft und Familiengründung kam das Bedürfnis nach Privatheit und damit das Ende meiner WG-Zeit in der Altstadt. Sie blieb aber weiterhin mein Arbeitsmittelpunkt. Allerdings, Büroräume in der Altstadt zu finden war in dieser Zeit schwierig. Mit dem Motto von Jimmy Cliff: «You can get it if you really want…» fand ich zuerst für zwei Jahre Räume am Neumarkt und später jene am Zährigerplatz 11. Büroräume, die zuvor als Futtermittel-Lager einer im Parterre eingemieteten Kleintierhandlung genutzt worden waren. Die Freude war gross, wurde allerdings rasch getrübt, denn nach Einzug begann es allenthalben zu krabbeln und zu kriechen. Artenvielfalt, vor allem in Büros, war noch kein Thema und so wurden von einer speziellen Insektenvergasungs-Firma während drei Tagen Käfer und Würmer etc. ins Jenseits befördert, worauf das grosse Renovieren der alten Räume mit ihren Stuckdecken und Parkettböden beginnen konnte.

Drohender Hausverkauf
Drei Jahre später hing der Haussegen schief, denn die Eigentümer-Erbengemeinschaft wollte das Haus verkaufen. Ständig trabten Delegationen von Immobilien-Mogulen, Architekten, Banken etc. durch alle Räume und stellten Rendite-Rechnungen an. Wir mussten zähneknirschend gute Miene zum immer böseren Spiel machen. Innert sechs Monaten stieg der Angebotspreis von 6 auf 12 Millionen Franken, dies, obwohl mit weiteren 1 bis 2 Millionen für Dach-, Fassaden- und andere Sanierungen zu rechnen war. Das Café Zähringer vertrat damals noch den Standpunkt, «Eigentum sei Diebstahl», fabrizierte entsprechende Fassaden-Transparente und versuchte die Stadt zu motivieren, das Haus zu kaufen. Diese bot schliesslich 8 Millionen. Zu wenig für die Erben. Die Angebote stiegen wöchentlich.
Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass wir eigentlich, teils als Gruppe der Mieter und teils mit neuen Partnern, als Miteigentümer-Gemeinschaft ins Angebotsrennen einsteigen könnten. So fing ich an zu sondieren und – ebenso wichtig – mit der ZKB seriöse Geldgespräche zu führen.
Teils mit Mietern, teils durchs «Weitersagen», teils dank Hilfe von Freunden gelang es uns im November 1989 ein Angebot von 10 Millionen zu unterbreiten. Nach langen Kollektivsitzungen war das Café Zähringer auch an Bord, wobei die Hausgemeinschaft gegenüber der Bank des Zähringers 300 000 Franken garantierte, was das Café Zähringer nach einigen Jahren ablösen konnte.

Dramatische Zeiten
Obwohl ein Mitglied der Erbengemeinschaft im Haus wohnte, bleiben wollte und mit unserem Angebot von 10 Millionen einverstanden war, entschied sich die Mehrheit der Erben für einen 12-Millionen-Verkauf an einen Immobilien-Spekulanten namens Mantel, der einige Jahre später wegen unseriöser Geschäfte verklagt und verurteilt wurde. Dies hätte für den im Haus lebenden Erben Rausschmiss aus seiner geliebten Wohnung bedeutet. Mit viel Mut sowie einer Schadens-Garantie und Bereitstellung eines Anwalts durch mich war er schliesslich zur Revolution bereit. Eines frühen Morgens vor Arbeitsbeginn gaben er und ich auf der Sihlpost den Einschreibebrief zum Rückzug seiner Vollmacht auf, der den Verkauf für 12 Millionen blockierte.
Prozessdrohungen durch «die studierten anderen Erben» gegen den renitenten Hausbewohner-Erben für die Differenz der 2 Millionen hielt er mit unserer Unterstützung stand. Etwa zwei Wochen später reifte bei den wütenden Mit-Erben die Einsicht in die juristische Sinnlosigkeit solcher Prozesse. Wir wurden angefragt, ob unser Angebot von 10 Millionen immer noch valide sei und – falls ja – ob wir noch vor Ende Jahr abschliessen könnten. Tief einatmen, Ärmel hochkrempeln, Finanzierungs-Akrobatik konkretisieren war das Motto – und es klappte!
So wurden wir am 29. Dezember 1989 stolze Eigentümer dieser wunderschönen Liegenschaft, wenngleich mit substantiellen Schulden. Ein Problem kam etwas später: Inmitten von Umbau und Renovation der Büros sanken im Zuge der damaligen Immobilienkrise die Preise um 20 bis 30 Prozent und die Bank verlangte zusätzliche Sicherheiten.
Privatkonkurs konnte ich nur aufgrund vieler Verhandlungen, guter Vertrauensbasis und einer gewissen Risikobereitschaft meiner beiden Geschäftsbanken abwenden.
Aber das Haus wurde vor der Spekulation gerettet! Trotz zusätzlich nötiger Investitionen konnten wir einige Jahre später, als die Hypozinsen niedriger wurden, aufatmen und heute sind wir alle mehr als glücklich über das damals waghalsige Unternehmen.

Zähringerplatz
Jetzt, dreissig Jahre später, wird das alte Thema der Nutzung des Zähringerplatzes wieder aktuell. Wohl weil eine neue politische Situation die Aufhebung der «Parkplatz-Vereinbarung» realistischer erscheinen lässt. Uns Anwohner stören Parkplätze allerdings weniger als die in den letzten Jahren massiv zunehmenden Lärmimmissionen durch «Party-Actions», begünstigt durch rund um die Uhr leicht verfügbaren Alkohol. Kreischen und Rufen sowie dröhnende Ghetto-Blasters mit voluminösem Soundpotenzial bis in die Morgenstunden sind für Anwohner am Zähringer- und Predigerplatz vor allem an Wochenenden eine schlafraubende Folter. Dazu am Morgen allenthalben Littering und üble Gerüche, da die Kirchenwandnischen offenbar mit Pissoirs verwechselt werden. Polizeipatrouillen führen kurzfristig zur Sound-Reduktion, aber sobald der Bus wegfährt, steigt der Lärmpegel wieder. Dieses Thema wird noch einiges zu reden geben!

Bruno Hoefler



Unser Gastschreiber
Bruno Hoefler ist in Zürich aufgewachsen. Nach der KV-Lehre gründete er seine erste eigene Firma und restaurierte Grabsteine, später handelte er mit Motorenöl. 1977 hat er berufsbegleitend das Diplom als Sozialarbeiter erlangt und war in der Folge tätig im Projektmanagement. Parallel dazu ist er ins Filmbusiness gekommen. In den frühen Achtzigerjahren gründete er die Firma Pueblo Film AG, mit Filialen in London und Budapest, die administrative Dienstleistungen für ausländische Independent Filmproduzenten erbrachte. Derzeit ist Bruno Hoefler, längst im Pensionsalter, daran, die Filialen aufzulösen und das Pueblo-Büro in Zürich auf kleiner Flamme zu führen.
Der Vater eines erwachsenen Sohnes wohnt mit seiner Frau Dagmar Zimmer Hoefler (www.puebloeditions.com) in Zumikon.   

Foto: EM