Im schönsten Dorf im Weinland

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Der diesjährige Herbstausflug des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat führte nach Benken im Zürcher Weinland. Nach einem Rundgang durch die Reben erwartete die Gäste ein währschafter Zvieri mit Weindegustation bei der Weinbauernfamilie Strasser.

Garstig kalt und nass der ganze Sonntag. Davor und danach war angenehmes Spätsommerwetter. Ausgerechnet auf diesen Tag hatte der Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat seinen traditionellen Herbstausflug angesagt, der diesmal am Knabenschiessen-Sonntag statt Montag stattfand. Damit sollte auch Berufstätigen die Teilnahme ermöglicht werden.
Dennoch versammelt sich etwa die gleiche Gruppe wie im Vorjahr beim Treffpunkt im Hauptbahnhof um die Organisatorin Jacqueline Wild, 18 Personen, um per Zug und Bus nach Benken zu reisen, dem Ziel des Ausflugs.
Ein kurzer Spaziergang durch das Weinbauerndorf führt zum Haus der Familie Strasser, wo Theodor Strasser die Gruppe empfängt und anführt auf dem Weg zum Dorf hinaus, wo Strassers nicht nur Reben besitzen, sondern seit einigen Jahren auch eine Hirschzucht. Die Hände in den Taschen geht er voraus, um bei einigen Kühen breitbeinig stehen zu bleiben und zu verkünden: «Das sind dann noch nicht die Hirsche.» Heiterkeit kommt auf, trotz strömendem Regen. «Benken ist das sonnigste Dorf des Kantons Zürich», fügt er an. Einen der seltenen Regentage erwischt, Glück muss man haben. Wenig mehr als 10 Grad erreicht das Thermometer an diesem Nachmittag. Früher wurde in der Gegend Sand abgebaut, war da ein Quarzwerk – künftig ein Endlager für radioaktive Abfälle?

Hirschzucht und Weinbau
«Wenn ihr die Schirme zuklappt, kommen die Hirsche näher, andernfalls sehen wir kein einziges Tier.» Glücklich, wer eine Kapuze hat. Effektiv kommen die Hirsche neugierig näher und fressen Einzelnen der Gruppe gar Maiskörner aus der hingestreckten Hand. 70 Damhirsche sind es insgesamt, leichter zu halten als Rothirsche, weil weniger aggressiv. Nach etwa 15 Monaten werden die Jungtiere geschossen, das Fleisch wird an Private verkauft. – Das in der Schweiz verzehrte Wildfleisch stammt übrigens nur zu acht Prozent aus der Schweiz, Zucht und Jagd zusammengenommen, der Rest wird importiert.
Auf dem Rückweg durch die Reben erfahren die Gäste aus der Stadt allerlei rund um den Rebbau. Und dürfen von den Würz-Trauben direkt vom Rebstock probieren: so richtig süss sind die! 20 000 Rebstöcke auf fünf Hektar Land gehören zum Weingut, aus 13 Traubensorten entstehen 20 verschiedene Weine, weisse, rote, Schaumwein. Ausserdem stehen diverse Spirituosen im Angebot, Strassers haben viele Obstbäume.

Zvieri mit Degustation
Die Familie Strasser, so erfahren die Ausflügler später im Weinkeller des Weinguts, ist seit 1464 in Benken ansässig. Zunächst in Viehzucht und Ackerbau, heute im Weinbau tätig. Die Hirschzucht ist neueren Datums, die gibt es erst seit sechs Jahren.
In diesem ebenerdig erreichbaren neueren Teil des Weinkellers, dessen Gewölbekeller aus dem Jahr 1779 stammt, wird Wein gekeltert, steht eine Flaschenabfüllanlage.
Am langen Tisch erwartet die leicht Durchfrorenen ein währschafter Zvieri, kalte Platten mit diversen Käse- und Fleischsorten, von denen sich alle nach Herzenslust bedienen können.
Und es kommt, worauf alle gewartet haben: Der Meister lädt ein zur Weindegustation. Seine Frau Manuela schenkt reihum ein, zunächst gibt es einen Räuschling zu probieren. Die Familie Strasser betreibt seit 40 Jahren die Eigenkelterei. Davor hat man die Trauben zur Weiterverarbeitung abgeliefert. Als zweiten Wein gibt es einen Vidal Blanc, aus einer pflegeleichten Traube, spät reifend. Ein bis zwei Kilo Rübenzucker auf 100 Kilo Trauben fügt man normalerweise hinzu, verrät der Winzer, um den Gärprozess zu optimieren, nicht um den Öchslegrad zu erhöhen. Als Drittes wird ein Rotwein, ein «Stägefässli», gereicht. Er war zwei Jahre im Fass, ist rund, fein, leicht. Schliesslich kommt ein Benkemer «Selezione Manuela» an die Reihe, benannt nach Manuela Strasser. Und dieser Wein rundet den kulinarischen Teil wunderbar ab.
Ein herrlicher Ausflug war das, sind sich alle einig, als man sich mit der einen oder anderen Weinflasche frisch ab dem Weingut auf den Heimweg macht. Und wiederum gilt, wie so oft: «Les absents ont toujours tort.» Etwas verpasst hat, wer nicht dabei war.

Elmar Melliger