Im Taschen-Laden «boule rouge»

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Der letzte Werkstattbesuch mit dem Altstadthaus führte an die Predigergasse, wo Beatrice Graf unlängst einen Atelierladen eröffnet hat. Sie verkauft selbst angefertigte Taschen, allesamt Unikate.

«boule rouge» und «boule verte» sind für Beatrice Graf altbekannte Begriffe. Ihr Sohn, der zum Teil in Brüssel zur Schule ging, brachte das nach Hause. Je nach Leistung und Betragen bekamen die Kinder die «boule rouge» oder die «boule verte».
Im Atelierladen an der Predigergasse 19 empfängt einen eine angenehme und sympathische Atmosphäre. Leiser Jazz im Hintergrund, ein charmanter Gruss der Inhaberin und natürlich die Objekte heissen die Kunden willkommen. Auf der Homepage ist zu lesen, dass das exklusive kleine Schweizer Label zum Ziel hat, Schönheit, Nützlichkeit und Witz im Design der Taschen und Gürtel zu vereinen. Sie designen für Menschen, die Eigenständigkeit und Charakter lieben. Das zeigt sich in der Vielfalt der kleinen Auslage. Klein im Sinne von der exklusiven Auswahl der Taschen, Gürtel und anderen Accessoires – denn jedes Objekt ist ein handgefertigtes Original, das es nur in einer Ausführung gibt. Alle Taschen sind aus Stoff oder Blache gefertigt. Beatrice Graf hat ein grosses Stofflager, kauft aber bei Gefallen auch spontan Stoffe dazu. So kommt es vor, dass ein Stoff lange an Lager bleibt und warten muss, bis sich die Handwerkerin dazu entschliesst, ihn für ein spezielles Original zu bearbeiten. Sie verarbeitet nach Wunsch auch Stoffe, die Kundinnen oder Kunden mitbringen, weil sie zur Garderobe passen. Blachentaschen, aus neuen Blachen, gestaltet sie gerne in Konkurrenz zu den Freitag-Taschen.

Erscheinungsbild und Innenleben
Bei neu gefertigten Objekten ist Beatrice Graf sehr eigen. Bis sie sich definitiv von ihnen trennen kann und sie einen Namen für das Objekt gefunden hat – jede Tasche bekommt einen Namen –, hängt sie sie gerne im hinteren Teil des Ladens auf, den sie von ihrem Arbeitsplatz aus bestens überblicken kann, bevor die Taschen dann prominenter im Laden präsentiert werden.
Das Innenleben der Taschen ist ebenso wichtig wie das äussere Erscheinungsbild. Das Futter hat ein komplett anderes Design als die Aussenhaut und Details wie ein fixes Schlüsselband dürfen in keiner Tasche fehlen. Ganz speziell sind die Tragriemen der Taschen, die abnehmbar sind und als Gürtel getragen werden können. Als Vorzeigeobjekt zeigt uns die Designerin einen schwarzen Stoffgürtel, der mit einem Spitzenband von Jakob Schlaepfer aus St. Gallen bestickt ist – sehr edel und schön!

Hin zur Präzision
Die Liebe zur Präzision und zum Handwerk ist bei Beatrice Grafs Objekten ganz offensichtlich. Nachdem sie in der Roten Fabrik tätig war und mit dem Zirkus Federlos herumzog, beschloss sie, das Schneiderei-Handwerk an der Frauenfachschule von Grund auf zu erlernen, inklusive Schnittmuster zu zeichnen. Lange vorher hatte sie für sich selbst und später auch für Freundinnen Kleider genäht – von aussen perfekt anzusehen, innen aber leider ein wahres «Geschnurpfe». Das wollte sie ändern, da ihr sauberes Handwerk und Präzision ein Bedürfnis wurde. Und so hat sich aus dem erlernten Handwerk und der Passion für Taschen eine perfekte Laufbahn ergeben.

Vom Seefeld in die Altstadt
Über zehn Jahre hatte die Designerin einen Atelierladen im Seefeld, der ihr im letzten Jahr gekündigt wurde. Den Umzug in die Altstadt an die Predigergasse 19 sieht sie heute als Glücksfall. Die Gasse ist durch Handwerksbetriebe geprägt und durch die direkten Nachbarn, die «Velorei» und das Geschäft «Onoda» profitiert sie – neben langjährigen Stammkunden – von einer interessierten Kundschaft. Sie geniesst die lauschige Gasse, die autofreie Innenstadt, die flanierende Kunden anzieht. In struben Zeiten, wenn eine neue Kollektion ansteht, kann Beatrice Graf auf die Unterstützung von zwei Mitarbeitenden zählen, die ihr beim Zuschneiden und bei der Anfertigung der neuen Taschen und Gürtel behilflich sind. Ganz kürzlich konnte eine neue Räumlichkeit bezogen und die wichtige Pfaff-Nähmaschine konnte auch beschafft werden. Und seit sich die Kundschaft nach den schönen Kissen auf dem Sofa erkundigt, werden neu Kissenbezüge aus speziellen und schönen Stoffen angeboten.
Beim anschliessenden Apéro mit feinen, von Lisbeth Rüegg gebackenen Focaccias bekommen die vierzehn Gäste bei weiteren Geschichten noch einen Touch von Beatrice Grafs Eitelkeit mit. Spitzbübisch erzählt sie, wie sie sich freuen kann, wenn zwei Frauen im Tram sich über ihre individuellen Handtaschen erfreuen können oder wenn sie auf dem Velo eine fröhliche umgehängte Tasche erblickt und feststellen kann: «Made by me!»
Christine Schmuki

«boule rouge», Predigergasse 19, Tel. 076 720 61 62, Donnerstag und Freitag 14 bis 19, Samstag
12 bis 17 Uhr.