Für Konzerte (un-)beliebt

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Wer am Helmhaus vorbeigeht, bekommt nicht selten eine musikalische Darbietung zu hören. Die Halle bietet sich dafür geradezu an und ist entsprechend beliebt bei Strassenmusikerinnen und -musikern. Wer sich ständig dort aufhält, dort arbeitet oder wohnt, teilt die Freude der Passantinnen und Passanten nur beschränkt.

Zwei junge Männer mit Gitarre singen hingebungsvoll ihre Songs und genügen sich selbst. Publikum haben sie keines, es ist kühl und halb zwölf Uhr – nachts. Die durchgängige Halle unter dem Helmhaus bietet Auftrittsmöglichkeiten mit einer genialen Akustik, gratis. Und manchmal springt noch etwas dabei heraus, wenn man den Hut hinlegt. Hier kann an zentraler Lage vor Wind und Wetter geschützt musiziert und Musik gehört werden. Gegen die Limmat hin mit Glasscheiben und seitlich durch das Gebäude eingefasst, ist die Halle von drei Seiten durch Bogenöffnungen zugänglich.
Wer Glück hat, kann hier kleine feine Konzerte erleben, von jungen (angehenden) Profimusikern, Streicherquartette, Gitarrenduos, Akkordeonspieler, auf hohem Niveau. Bleibt stehen, freut sich. Wer weniger Glück hat, kommt vorbei, wenn gerade der Alphornbläser dran ist, der sein Instrument aufjaulen lässt, oder wenn jene vermutlich aus Rumänien stammende Frau die immer gleichen drei Melodien auf ihrer Handorgel zum Besten gibt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Wirklich Pech hat dann, wer in der Nähe arbeitet oder wohnt.

Eine Frage des Masses
Eine Anwohnerin von gegenüber beklagt sich über die an schönen Sommertagen fast pausenlose Beschallung, sodass sie die Fenster geschlossen halten muss und es unerträglich findet. Und immer das Gleiche! Obermühsam sei das. In den über zehn Jahren, in denen sie da wohnt, hat sie jedoch erst einmal die Polizei gerufen und ist einmal runtergegangen, um zu intervenieren. Ihr Mann, selber Musiker und Musiklehrer, stimmt überein, dass es nervig sei, weil pausenlos. Auch wenn die meisten nicht mal schlecht spielten. Einen Akkordeonspieler habe er mal zu einem Glas Wein eingeladen: Ein Profimusiker, Musiklehrer aus der Ukraine, der seine Familie durchbringe, indem er in den Sommermonaten in Zürich musiziere. Sein Repertoire an klassischen Stücken ist gross, doch nur bei einigen wenigen bleiben die Leute stehen und lauschen, bei den übrigen gehen sie achtlos weiter. Womit wir bei den Wiederholungen wären, denjenigen eines Profis. Unsäglich seien die Dilettanten, die effektiv nur drei Stücke mehr schlecht als recht spielten und diese ständig wiederholten.
Wer sich immer wieder mal aufgeregt hat: der Organist des Grossmünsters. Wenn zu leisen Tönen der Orgel oder überhaupt im Gottesdienst immer wieder das Alphorn ertönt… – Weiter weg, nämlich an der Kirchgasse oberhalb des Zentrums Karl der Grosse, wohnt jene Bewohnerin, die ebenfalls die Dauerbeschallung beklagt. Der Schall wird wie durch einen Trichter bis zu ihr hoch weitergeleitet. Wobei sie sich an klassischer Musik weniger stört.
Der obig zitierte Anwohner möchte nicht so weit gehen, das Musizieren in der Halle ganz zu verbieten. Er plädiert auf eine zeitliche Begrenzung der einzelnen Darbietungen. Und es sollte sicher unverstärkt sein und eine gewisse Lautstärke nicht überschreiten. Er sagt: «Die Halle hat wirklich eine gute Akustik und man sollte auch etwas tolerant sein.»

Tagsüber unterbunden
Ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Halle sind die Mitarbeitenden des Helmhauses, der Wasserkirche und der Buchhandlung «Kunst-Kiosk». Auch ihnen wurde es manchmal zu viel, die Dauerbeschallung. Darüber hinaus stört es den Betrieb des Kiosks in der Halle, die Andacht oder Veranstaltungen in der Wasserkirche und den Ausstellungsbetrieb des Museums Helmhaus, wo Akustik oft Element einer Ausstellung ist. So ist man dazu übergegangen, während der Öffnungszeiten des Helmhauses, also von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18, am Donnerstag bis 20 Uhr, die Musikanten wegzuschicken. Dies besorgt jeweils der Securitas-Mitarbeiter. Er spricht mit den Leuten und weist sie darauf hin, dass um das Seebecken das Musizieren legal ist. Darüber hinaus könne das Helmhaus wenig zur Beruhigung beitragen, wie Daniel Morgenthaler, Kurator beim Helmhaus, auf Anfrage weiter ausführt. Man könne keine polizeilichen Aufgaben übernehmen, schon gar nicht ausserhalb der Öffnungszeiten.

Halböffentlicher Raum
Eigentlich wäre die Sachlage klar, denkt man: In den Seeuferanlagen im unteren Seebecken ist das Musizieren tagsüber gestattet, jeweils für eine halbe Stunde am selben Ort. Und andernorts, wie auch in der Altstadt, nicht. (Auf acht Plätzen in anderen Stadtkreisen sind Strassenkunst-Darbietungen seit 2017 ebenfalls erlaubt.)
Nun handelt es sich bei der offenen Halle des Helmhauses um «Privatgrund mit öffentlichem Charakter», wie Jan van’t Ver, Kreischef 1 bei der Stadtpolizei, auf Anfrage erklärte. Die Halle gehört zum Helmhaus, das wiederum Mieterin ist bei der Stadt Zürich. Sie dient als öffentlicher Durchgang, was ihr den öffentlichen Charakter verleiht. Dennoch könne die Polizei hier nicht eingreifen wie irgendwo auf der Gasse. Wohl aber natürlich, wenn es sich um Nachtruhestörung handle. Die Mieterin müsste hier aktiv werden, erklärte er. Er ist sich indessen der verzwickten Situation bewusst. Und bereit, zu einer Verbesserung der Lage Hand zu bieten.
Konkret werden sich die Beteiligten in der nächsten Zeit treffen, um an einem Runden Tisch die Sache zu besprechen.

Elmar Melliger