Massnahmen und Immissionen

Jetzt haben wir einen Frühling und einen Sommer mit der Corona-Pandemie hinter uns. Alle waren betroffen, das Gewerbe, namentlich das Gastgewerbe, aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner. Wie hat sich die Situation in der Altstadt präsentiert, bezüglich Nutzung des öffentlichen Raums, betreffend Immissionen? Was mag wohl der Winter bringen?

Älter als die Corona-Pandemie ist das Vorhaben, in Zürich «mediterrane Nächte» einzuführen, womit gemeint ist, Gäste an Sommerwochenenden im Freien bis um 2 Uhr nachts bewirten zu dürfen. Älter als Corona ist der Widerstand dagegen. In der Altstadt war der Aufschrei laut, denn hier ist man einiges an Lärm gewohnt und kennt auch Grenzen. Den Widerstand gegen den geplanten Versuch für den Sommer 2020 hat die Gruppe «Innenstadt als Wohnquartier» gebündelt, in der mehrere Gruppierungen, darunter der Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat und der Einwohnerverein Altstadt links der Limmat mitmachen. Nun, wegen einer Einsprache dieser Gruppe konnte der Versuch nicht gestartet werden, das Coronavirus kam als höhere Gewalt noch dazu. Der Rekurs liegt derzeit beim Verwaltungsgericht.

Auf die Ruhe folgt der Lärm
Während des Lockdowns war es in der Altstadt so ruhig wie an einem Sonntagmorgen, allerdings an sieben Tagen die Woche. Man konnte das schätzen oder unheimlich finden. Kaum waren Geschäfte und Restaurants wieder geöffnet, kehrte das Leben zurück in die Gassen. Viel zu wenig, klagten Gewerbevertreter. Viel zu laut, klagten Anwohnerinnen und Anwohner von «Hot Spots», wo vorwiegend junge Leute die Nacht durchfeiern. Vor allem in warmen Nächten am Wochenende, auch weil das Nachtangebot des öffentlichen Verkehrs noch nicht wieder in Betrieb war (und ist), schlugen sich etliche die Nacht um die Ohren.

Christine Schmuki, im Vorstand des Einwohnervereins, kennt die «Hot Spots» in der Altstadt links der Limmat: Besonders an der Schipfe, auf der Uraniawiese und auf dem Lindenhof kennt der Lärm keine Nachtruhe. Die Orte rechts der Limmat, in denen es nachts laut bleiben kann, können hier nicht abschliessend aufgezählt werden.

Dass die Lärmproblematik diesen Sommer speziell war, davon zeugen die Lärmklagen, von denen es dieses Jahr weit mehr gab als in den Vorjahren. Nicht nur weil man nach der Grabesruhe lärmempfindlicher war, wurde mehr reklamiert. Sondern weil Clubs geschlossen blieben, der Nachtbus nicht fährt, es besonders viele schöne warme Nächte gab und weil diese kleinen Musikboxen so leicht mitzutragen und so leistungsstark sind. Eine wesentliche Rolle beim Nachtlärm spielen auch die sogenannten 24-Stunden-Shops, die manchmal auch «nur» bis um 3 oder 4 Uhr geöffnet haben und bei denen sich gerade Jugendliche mit beschränktem Budget reichlich mit hochprozentigem Alkohol eindecken, um dann irgendwo in der Umgebung zu feiern.

Ausweitung der Flächen
Die kostenlose Nutzung und Ausweitung der von Gastbetrieben genutzten Aussenbereiche war ein Entgegenkommen der Stadt, das vom Gewerbe sehr geschätzt wurde. Das hat im Allgemeinen kaum zusätzlichen Lärm verursacht und den Betrieben zu mehr Umsatz verholfen.

Wenn auch einige der Restaurants ihr Mobiliar nicht nur etwas weiter auseinander aufstellten, sondern multiplizierten, so der Eindruck. Polizeiliche Kontrollen waren kaum auszumachen.

Was dieses Jahr auffiel, das waren die vielen Strassenmusikantinnen und -musikanten, die ihr Einkommen statt am Seebecken – wo es erlaubt ist – in den Gassen der Altstadt suchten, auch artistische Darbietungen gab es häufig zu sehen.

Nun hat der Stadtrat am 2. Oktober 2020 bekanntgegeben, die Nutzung der Aussenflächen vorerst bis Ende März zu einem um fünfzig Prozent reduzierten Tarif zu gewähren und die kostenlose Ausweitung der Aussenflächen weiterhin zu erlauben, bis längstens Ende Oktober 2021. Ebenso will er prüfen, Zelte oder Windfänge einfacher zu bewilligen. Diese Massnahmen gehen der Gruppe Innenstadt als Wohnquartier zu weit, wie die Gruppe mitteilte, welche die bisherigen Massnahmen akzeptiert hat. Die Bevölkerung werde überhaupt nicht geschützt, namentlich werde die Möglichkeit der Einsprache nicht gewährt.

Der Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, Peter Rothenhäusler, sieht in den erweiterten Flächen kein grosses Problem: «Es bleibt genügend Platz und wenn nötig kann man ja auch mal etwas im Slalom laufen. Zelte oder andere Anbauten sähen allerdings vermutlich nicht so schön aus. – Was aber gar nicht geht, ist die Verlängerung der Öffnungszeiten, wie das für die ‹mediterranen Nächte› gefordert wurde!» Die Wirte sollen die Gäste ermahnen betreffend der Nachtruhe, Regeln ansprechen und durchsetzen. Wilde Partys seien indessen das grössere Problem.

Christian Brugger, der Präsident der Geschäftsvereinigung Limmatquai-Dörfli, weist auf die schwierige Lage des Gewerbes hin. «In der Altstadt rechts der Limmat», so schätzt er, «hat das Ausbleiben der Touristen und die Zunahme von Homeoffice und Online-Shopping zu Umsatzeinbussen von bis zu siebzig Prozent geführt. Es geht für viele Betriebe schlicht ums Überleben!» Noch wirkten Überbrückungskredite, seien Mitarbeitende in Kurzarbeit. «Aber was ist, wenn diese Unterstützung endet? Dann sehen wir viele Betriebe in den Konkurs gehen.»

Und so gilt es eine Balance zu finden zwischen Unterstützungs- und Rettungsmassnahmen für das Gewerbe auf der einen und dem Eingehen auf die berechtigten Anliegen der Bevölkerung auf der anderen Seite. – Keine leichte Aufgabe.

 

Elmar Melliger