«Den Dialog mit allen pflegen»

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Anfangs Februar 2021 hat Kathrin Rehmat ihre neue Stelle als Pfarrerin an der Predigerkirche angetreten. Der Altstadt Kurier hat sie zum Gespräch getroffen.

«Ich bin sehr gut, sehr schön empfangen worden!», sagt Kathrin Rehmat. Wir sitzen im Besprechungszimmer des Pfarrhauses der Predigerkirche, zuoberst an der Schienhutgasse. Sie setzt sich und springt gleich wieder auf, geht zum Fenster. «Dieser wunderbare Garten, was hab ich Freude am Garten! Ich habe solch ein Glück, hier zu wohnen!» Den hinteren Teil des Gartens würde sie gern privat nutzen, Gemüse anpflanzen. Vorne jedoch, wo der Blick über die Stadt und bis zum See reicht, da möchte sie Lesungen machen, im bekiesten Teil am liebsten Boule spielen. Quirlig ist die Frau, die sich nun wieder hinsetzt. Sie bewohnt die Wohnung im Obergeschoss. Im Erdgeschoss werden alle Räume doppelt oder dreifach genutzt, durch Mitarbeitende des Kirchenkreises eins Altstadt, aber nicht nur. Hier befindet sich etwa auch das Büro des Forums der Religionen.

Die Ökumene
Seit Peter Wittwer hier Pfarrer war, hat die Ökumene an der Predigerkirche einen grossen Stellenwert, ihm war auch der interreligiöse Dialog ein wichtiges Anliegen. Seine Nachfolgerin Renate von Ballmoos hat in den fünfzehn Jahren ihres Wirkens die Schwerpunkte etwas anders gesetzt, ihr lag (neben der Ökumene) das Spirituelle besonders am Herzen. Kathrin Rehmat: «Ich war zwölf Jahre Pfarrerin in Biel. Dort leben Menschen aus 190 Nationen. Es war für mich immer zentral, einen freundschaftlichen oder wenigstens anständigen Umgang miteinander zu pflegen, was nicht immer einfach war.»
In ihrem ersten Beruf war sie Pflegefachfrau Psychiatrie. Sie hat Erfahrung mit Menschen in den verschiedensten Krisensituationen, mit psychischen Erkrankungen, mit Drogenproblemen. Mit 30 beschloss sie, Theologie und Philosophie zu studieren. Danach, 2005/2006, absolvierte sie ein jähriges zusätzliches Masterstudium in ökumenischer Theologie in Genf. «Dort waren Menschen aus 35 Ländern dabei», sagt sie und lacht, «Einen von ihnen habe ich dann geheiratet.»
So sagt sie heute, sie sei in die christlich-islamische Diskussion reingewachsen, in die Frage des Umgangs von Mehrheiten mit Minderheiten, wie man kooperativ und solidarisch miteinander leben kann. Denn ihr Mann ist ein christlicher Theologe aus Pakistan und gehörte dort der Minderheit der Christen in einem islamisch geprägten Land an. Dort, in Karatschi, Lahore und Islamabad hat sie insgesamt zwei Jahre verbracht und kennt somit verschiedene Perspektiven dieser Thematik. «Mir ist der Dialog zwischen den monotheistischen abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam wichtig», erklärt sie. Das Hauptaugenmerk liege zunächst auf der Ökumene, dem Zusammengehen von reformiert, katholisch, methodistisch, anglikanisch und orthodox (und anderes mehr) also. Die Ökumene ist ein wichtiges Merkmal der Predigerkirche innerhalb des Kirchenkreises eins Altstadt: Jede Kirche hat ihr Profil. Kathrin Rehmat freut sich darum sehr auf die Zusammenarbeit mit ihrem katholischen Kollegen an der Predigerkirche, Thomas Münch, der wie sie auch Gottesdienste gestaltet.
Die Ökumene war in der Ausschreibung für die Pfarrstelle explizit erwähnt, und das sei ihr gerade ins Auge gesprungen, als sie sich mit 50 nach einer neuen Herausforderung umsah. Das passt bestens zu ihrem Werdegang, ihrem Interesse. Eigentlich unterscheide sie gern zwischen innerer (konfessioneller) und äusserer (interreligiöser) Ökumene. Wobei sie sich stärker auf den Dialog mit den verwandten Religionen konzentriert, das Judentum und den Islam. Als religiöser Mensch möchte sie zum gesellschaftlichen Frieden beitragen, sagt sie.

Begegnungen
Mit der Ökumene ist ihr die Spiritualität wichtig, also die Gottesdienste oder die werktags angebotenen Meditationen, Gebete und seelsorgerlichen Gespräche in der Predigerkirche. Die wöchentlichen Freitagsvespern in der Predigerkirche werden regelmässig von über 40 Personen besucht, auch in der Coronazeit, was die neue Pfarrerin freut. Ansonsten hat die Kirche generell mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen. In der Altstadt erfreuen sich die Kirchen dank ihrer Zentrumsfunktion noch relativ gut besuchter Veranstaltungen.
Was Kathrin Rehmat vermisst, in der Coronazeit, das sind vermehrte Möglichkeiten, andere Menschen zu treffen und kennenzulernen. Da ist sie nun in der für sie neuen Stadt, an ihrer neuen Stelle, und vieles ist durch die Pandemiesituation blockiert oder erschwert.
Aber nun wird es ja Frühling, sonniger und wärmer, und gleich geht alles etwas leichter. Bald werden Begegnungen wieder einfacher möglich sein. Und darauf freut sie sich.

Elmar Melliger


Zur Person

Kathrin Rehmat (geb. 1970) ist im Kanton Bern aufgewachsen. Bis 30 arbeitete sie als Pflegefachfrau Psychiatrie. Theologiestudium in Bern, Philosophiestudium in Paris, Studiengang Ökumene in Genf. Seit 2008 als Pfarrerin tätig, in Bümpliz, Münchenbuchsee, zwölf Jahre in Biel. Sie wirkt seit 2012 als Co-Präsidentin der Gemeinschaft Christen und Muslime in der Schweiz (g-cm.ch). Sie ist interessiert an Kunst, Philosophie, liest gern. Sie ist verheiratet. Seit dem 1. Februar 2021 Stelle (80 Prozent) als Pfarrerin an der Predigerkirche.

EM