«Grosse Gesamtbelastung»

Bild zum Artikel

Das Postulat «Mediterrane Nächte» soll im nächsten Sommer mit einem Versuch umgesetzt werden, wie der Stadtrat am 13. November 2019 mitteilte. Die Gruppe «Innenstadt als Wohnquartier» hat gleichentags in einer Medienmitteilung Widerstand angekündigt. Der Altstadt Kurier hat mit Felix Stocker vom Vorstand des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, einem der Initianten der Gruppe, gesprochen.

Sie sprechen für die Gruppe «Innenstadt als Wohnquartier». Wie ist diese Gruppe entstanden, wer steht dahinter?
Auslöser war der Auftrag der Generalversammlung des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, in Sachen «mediterraner Nächte» und generell zur Belastung in Innenstadt-Wohnquartieren aktiv zu werden und sich einzusetzen fürs Wohnquartier. Der Vorstand hat dann beschlossen, sich bei anderen Quartieren umzuhören, ob sie ähnliche Probleme haben und mitmachen würden. Das ist auf positives Echo gestossen. Bisher ist neben unserem Quartierverein der Quartierverein Selnau-City, der Quartierverein Aussersihl-Hard, der Einwohnerverein Altstadt links der Limmat, die IG Idaplatz und die IG Wohnliches Hallwyl-Quartier dabei.

Was ist der Zweck der Gruppe?
Der Zweck ist in erster Linie nicht nur die Bekämpfung der «mediterranen Nächte», sondern der Schutz und Erhalt der Innenstadt als Wohnquartier.

Schutz wovor? Was sind Ihre Themen?
Der Druck auf die Wohnquartiere hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Hauptthemen sind die Nachtruhe, die Verkehrsbelastung – dazu gehören Anlieferung und Abtransport bei Events, Parkplatzsuchverkehr und dröhnende Motoren. Weiter kommen dazu Urin, Fäkalien, Erbrochenes, Littering. Schliesslich gibt es die Thematik Zweitwohnungen und «Serviced Apartments» wie AirBnB.

Wie kommen Sie zu der Einschätzung, dass der Druck zugenommen hat?
Allein schon die riesige Resonanz und Bereitschaft zur Mitarbeit zeigt uns, dass es ein brennendes Problem ist, die Gesamtbelastung in der Innenstadt. Dass diese Belastung gestiegen ist, hängt vermutlich zusammen mit der Verschiebung der Aktivitäten in die Nacht hinein.

Zum Versuch mit den «mediterranen Nächten»: Das Postulat wird moderat umgesetzt. Es wird in den einzelnen Quartieren je zwei Nächte von Samstag auf Sonntag betreffen, in denen länger gewirtet wird, dies in den Schulferien, wenn viele weg sind. Wo sehen Sie das Problem, was sind Ihre Bedenken?
Zum einen ist zu sagen, dass die Entwicklung in die völlig falsche Richtung geht. Anstatt dass der Stadtrat und der Gemeinderat die Belastung für die Wohnquartiere noch vergrössern, sollten sie Massnahmen ergreifen zum Schutz der Wohnquartiere. Es ist eine besondere Qualität von Zürich, dass auch die Innenstadtquartiere richtige Wohnquartiere sind. Wenn man die Belastung immer weiter vergrössert, führt das dazu, dass für sensible Bevölkerungsgruppen – Familien mit Kindern, Ältere, aber auch Berufstätige – die Innenstadt als Wohnort nicht mehr in Frage kommt. Dann fehlt eine gute Durchmischung.

Und zum anderen?
Zum anderen ist dieser Versuch untauglich, weil die zwei Nächte in den Sommerferien liegen, in der Innenstadt eine davon gleichentags wie die Street Parade. Viele sind dann abwesend. Damit kann der Stadtrat sehr leicht zum Schluss gelangen, dass der Versuch ein Erfolg war und die «mediterranen Nächte» definitiv einführen. Wie er das tun würde, zum Beispiel an jedem Wochenende, ist völlig dem Stadtrat überlassen. Deshalb bekämpfen wir bereits den Versuch.

Wie ist Ihr weiteres Vorgehen?
Wir wollen politisch und rechtlich alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein zu schaffen für die Problematik, in der Öffentlichkeit und in der Politik.

Sind konkrete Schritte geplant?
Wir sind daran abzuklären, ob eine Einsprache gegen den Stadtratsbeschluss zu den «mediterranen Nächten» gemacht werden kann. Unterstützt werden wir dabei unter anderem von der Lärmliga Schweiz. – Wir hoffen, dass vor allem in der Politik ein Umdenken stattfinden wird. Die städtische Politik soll sich stärker um den Schutz der Innenstadt als Wohnquartier kümmern.

Interview: Elmar Melliger


«Mediterrane Nächte» als Versuch
Der Gemeinderat hat mit 77 zu 27 Stimmen ein Postulat an den Stadtrat überwiesen, in dem «mediterrane Nächte» für Zürich gefordert werden: In den Sommermonaten soll das Bewirten von Gästen im Freien in der Freitag- und Samstagnacht bis 2 Uhr erlaubt werden. Nun hat der Stadtrat am 13. November 2019 mitgeteilt, dass er das Postulat zunächst in einem «wissenschaftlich begleiteten» Versuch umsetzen will. In den Sommerferien 2020 jeweils an zwei Samstagen in Zürich West, in der Innenstadt (Kreise 1, 2, 8) und in den übrigen Quartieren ist das Bewirten im Freien bis um 2 Uhr gestattet. Das gilt für Gastwirtschaften mit bestehender Bewilligung zum Bewirten im Freien, ausgenommen sind Betriebe in Gebieten mit den Lärmempfindlichkeitsstufen I und II sowie Innenhöfe, Musik ist nicht erlaubt. Die Altstadt liegt fast vollständig in der Lärmempfindlichkeitsstufe III (mediterrane Nächte sind erlaubt).

EM