Kosmos in der Kammer

Eine sehenswerte Ausstellung ist gegenwärtig in der Schatzkammer der Zentralbibliothek zu sehen. Sie zeigt die Entwicklung der Weltbilder und kosmologischen Vorstellungen über die Jahrhunderte.

Mit dem schatzkammerartigen Raum im Erdgeschoss des Chores der Predigerkirche verfügt die Zentralbibliothek über einen gediegenen Rahmen zur Präsentation ihrer riesigen Sammlungsbestände, die, in Depots, Magazinen oder Spezialsammlungen aufbewahrt, normalerweise dem breiten Publikum nicht zugänglich sind.
Die Ausstellung «Kosmos in der Kammer» beeindruckt in einem ersten Überblick einmal mehr durch die Tatsache, dass sie, von ganz wenigen Leihgaben abgesehen, praktisch ausschliesslich Objekte aus eigenem Bibliotheksbesitz enthält. Wie es der Titel der Ausstellung andeutet, geht ihre Gestaltung aus von der Erinnerung an die Ursprünge der Bibliothek als Kunst-Kammer in der Wasserkirche. Einleitend sind denn auch deren Innenräume auf Neujahrsblättern des 17. Jahrhunderts und im genrehaften Ölgemälde von Aurèle Robert von 1861/62 zu sehen. Diese Darstellungen sind so detailreich, dass man unschwer einzelne der in der Ausstellung gezeigten Gegenstände erkennen kann. Faszinierend ist es, die Entwicklung der Weltbilder und kosmologischen Vorstellungen zu verfolgen, wie sie in mittelalterlichen Handschriften, auf Einblattdrucken und in umfangreichen Publikationen durch die Jahrhunderte in Wort und Bild festgehalten wurden.
Eine grosse Landkarte in der 1493 gedruckten Weltchronik von Hartmann Schedel zeigt das vor den Entdeckungsfahrten noch vorherrschende Bild einer dreiteiligen Erde, bestehend aus Europa, Afrika und Asien. Rasch ändern sich im 16. Jahrhundert die Erkenntnisse. Die Karten werden genauer, Gerhard Mercators Darstellungen im Druck und auf den nach seinen Vorlagen erstellten Erd- und Himmelsgloben von 1541/51 gelten als massgebend zur selben Zeit, da sich die heliozentrische Lehre des Kopernikus durchsetzte; diese ist präsentiert in einem Basler Druck von 1566.

Grosser Anteil Zürichs
Der Anteil Zürichs an kosmographischen Publikationen und Objekten erweist sich in der Ausstellung als bemerkenswert. Die Druckerei Froschauer veröffentlichte mehrere Bücher zu diesem Thema: Kartenwerke von Johannes Stumpf, Kosmographien von Johannes Honter und Joachim Vadian, eine Anleitung von Burkhard Leemann zum Bau von Sonnenuhren. Eine solche von 1525 verbirgt sich in einem Siegelring mit dem Wappen von Heinrich Bullinger. Zu dieser Miniatursonnenuhr gesellen sich als weitere spektakuläre Zürcher Produkte ein Doppelpokal in Form eines Erdglobus mit einem aufgesetzten Himmelsglobus des Goldschmieds Abraham Gessner und das monumentale Astrolabium des Pfarrers Michael Zingg, eine astronomische Uhr, die das kopernikanische Planetensystem beschreibt.

Über Jahrhunderte erhalten
Nicht fehlen darf im kosmographischen Objekt-Kosmos der Ausstellung natürlich der berühmte St. Galler Globus. Auch wenn hier weder das Original aus dem Landesmuseum noch seine vor Jahren für die St. Galler Stiftsbibliothek aufwendig hergestellte Kopie zu sehen sind, wird er doch mit der kürzlich von der ZB erworbenen Zeichnung auf Pergament prominent vorgestellt. Dank dieser zwischen 1592 und 1595 als Verkaufs-Prospekt entstandenen Abbildung konnte die Herkunftsgeschichte des Globus geklärt werden. Die als Highlight der Ausstellung gepriesene 3D-Visualisierung des Globus am Ausgang der Ausstellung sollte es ermöglichen, die Details der Weltkugel von allen Seiten zu betrachten, was aber leider wegen des krisenanfälligen Touchscreens nicht immer funktioniert. Die Enttäuschung über das Versagen des Hightech-Produktes unserer digitalisierten Gegenwart hält sich in Grenzen, verlässt man doch die überaus lehrreiche Ausstellung um viele Erkenntnisse bereichert und beglückt darüber, dass die darin präsentierten «analogen» Artefakte auch nach Jahrhunderten ihre Ausstrahlung ungeschmälert bewahrt haben.

Matthias Senn

«Kosmos in der Kammer», Ausstellung der Zentralbibliothek in der Schatzkammer im Predigerchor, bis 7. Dezember 2019. Öffnungszeiten Montag bis Freitag 13 bis 17, Samstag 13 bis 16 Uhr. Führungen und Veranstaltungen am 26. Oktober, 9. und 23. November (Details siehe Website der ZB). Begleitheft, 16 Seiten, farbig illustriert, gratis zum Mitnehmen.