Drechseln mit Herzblut

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Beim letzten Werkstattbesuch trafen sich neun Personen im Werkstattladen von «Drechselwerk» am Neumarkt, wo es herrlich nach Holz duftet – um mehr über dieses sehr alte und nachhaltige Handwerk zu erfahren. Sie bestaunten zuerst die wunderprächtigen Objekte, die im Laden ausgestellt sind.

Alle Handwerker und Handwerkerinnen sind klar motiviert, das Interesse der Besucher für ihre Arbeiten zu wecken und sind stolz, ihre Arbeiten zu zeigen, aber die Begeisterung, die Andreas und Sandra Gerig bei der Präsentation ihrer Objekte zeigen, ist beeindruckend.

Objekte
Im Laden ausgestellt sind Schalen und Teller in allen Formen und Grössen: rund, oval, hoch und niedrig. Schlicht und durch das Einölen leicht glänzend die einen, eigensinnig durch die Faserung – vor allem bei der Arve – die anderen. Ganz edel sind Schalen, die im Innern eine Blattgold- oder Platinschicht haben. Diese können mit Wasser gefüllt werden. Bestückt mit einer Kerze oder Blütenblättern sind sie ein wunderschönes Wohnaccessoire. Dann gibt es aber auch den praktischen Brotkasten, Kleinmöbel wie Kinderstühle, das zerlegbare Taburettli und ein einbeiniger Hocker, zum Beispiel für Gartenarbeiten. Neben diesen exklusiven Einzelanfertigungen fertigt Andreas Gerig aber auch Zulieferprodukte für Schreiner oder Innenarchitekten an, wie Stuhl-, Bank- und Tischbeine. Er ersetzt auch defekte Teile von Treppengeländern, Knäufe und mehr. Es werden ausschliesslich einheimische Holzarten verarbeitet. Alle Objekte, auch die grossen, sind unverleimt und entstehen aus einem Stück Stamm.

Der Ursprung
Viele Objekte sind aus Ahorn-, Arven- oder Lärchenholz angefertigt. Dieses stammt aus der Region Zuoz, wo das Drechselwerk auch ein kleines Atelier betreibt, das aber nur bei schneefreien Strassen zugänglich ist. Zusammen mit dem Förster wird der geeignete Baum ausgesucht. Bei der Auswahl spielt der Charakter des Holzes eine wichtige Rolle. Der ausgewählte Baum wird dann im Dezember gefällt und bleibt bis zur Schneeschmelze im Schnee liegen, bis er im Frühling an einen geeigneten Ort zum Trocknen gebracht wird und in Bretter von verschiedenen Grössen und Dicken zersägt wird. Das Trocknen kann acht bis zehn Jahre dauern, wichtig ist ein gutes Mikroklima und nicht zu viel Sonne. Die Verarbeitung ist aber auch ohne Trockenzeit möglich. Hier wird das Holz quasi nass bearbeitet und nach Fertigstellung für einige Wochen in einem Tuch getrocknet.
Andere Hölzer kommen aus dem Unterland von der Holzgant. Hier fahren Interessierte mit dem Förster durch den Wald und dieser deutet dann verschiedenste Bäume aus. Man bietet direkt vor Ort und hat zu einem sehr günstigen Preis einen Baum erworben! Teuer ist dann der Abtransport, der selber organisiert und bezahlt werden muss.

Verarbeitung
Im Werkstattladen steht die kleine Drechslerbank im Schaufenster und ist somit von aussen gut sichtbar. Je nach Muster wird das Holz längs oder quer in die Maschine eingespannt. Drechseln ist ein spanabnehmendes Verfahren. Ziel ist eine sehr genaue und saubere Arbeit, damit beim gefertigten Stück nur ein kurzes Schleifen nötig ist. Wichtig ist, dass Messer und Meissel extrem scharf sind. Diese werden von Andreas Gerig selber geschliffen. Um einen Glanz zu erhalten wird das feine Holz kurz geschliffen und mit Öl oder Wachs behandelt.
Grössere Arbeiten werden in der Werkstatt in Urdorf erledigt und in der Ladenwerkstatt fertiggestellt. Es ist dem Ehepaar Gerig wichtig, dass die Arbeiten im Laden nicht zu laut sind und die gute Nachbarschaft nicht trüben.

Der Weg zum Drechsler
Im Angebot sind auch wohlduftende Arve-Hirsekissen in verschiedenen Grössen. Die Kissen mit der Arve-Hirsefüllung aus biologischem Anbau bringen den Duft der Engadiner Arvenwälder direkt ins Schlafzimmer.
Als Sekundarlehrer hat Andreas Gerig Werkunterricht gegeben und das Arbeiten mit Holz, Metall und Kunststoff vermittelt. Es folgte die Weiterbildung und autodidaktische Weiterentwicklung im Drechseln. Fasziniert von der Arbeit mit Holz, liess er sich zum eidg. Holzhandwerker ausbilden und machte den Berufsabschluss als Drechsler. Um das Handwerk nicht aussterben zu lassen, wird in der Schweiz ein Lehrling pro Jahr ausgebildet. 2012 gründete Andreas Gerig zusammen mit Ehefrau Sandra eine Werkstatt in Urdorf und ein kleines Atelier in Zuoz.

Neu in der Altstadt
Seit November 2018 betreibt Sandra Gerig den Werkstattladen am Neumarkt 1. Nachdem sie schon früher zweimal einen Pop-Up-Laden am Predigerplatz betrieben hatte, sind nun beide glücklich, dieses Ladenlokal gefunden zu haben. Hier sind sie präsent und für bekannte und neue Kundschaft erreichbar. Sandra Gerig erledigt alle Büroarbeiten, ölt die schönen Objekte oder veredelt sie mit Blattgold oder Platin. Sie ist für das Ladengeschäft zuständig, während Andreas Gerig sich um die Produktion kümmert.
Während wir uns dem feinen Apéro zuwenden und weitere Gespräche führen, legen sich zwei Besucherinnen ins Zeug, bekommen ein Arbeitsmänteli und drechseln mit Hilfe und unter Anleitung von Andreas Gerig je ein sehr gelungenes kleines Schälchen.

Christine Schmuki


«Drechselwerk», Werkstattladen, Neumarkt 1. Dienstag, Donnerstag, Freitag 11 bis 18.30, Samstag bis 17 Uhr. Andreas Gerig bietet auch Kurse und Schnupperkurse an. Mehr Informationen unter www.drechselwerk.ch.