Jubiläumsfeiern mit viel Musik

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Die Kantorei St. Peter kann ihr 150-jähriges Bestehen feiern. Dieses stolze Jubiläum wird begangen mit einem Jubiläumskonzert, das bereits stattgefunden hat. Der Jubiläumsfesttag mit einer Folge von Chorkonzerten steht noch bevor.

Grosse Ereignisse wollen entsprechend festlich gefeiert sein – und wenn der Kirchenchor einer zwinglianisch-reformierten Zürcher Altstadt-Kirchgemeinde auf 150 Jahre ununterbrochenen Wirkens zurückblicken kann, ist das Anlass genug, dieses Jubiläum stolz und würdig zu begehen. Das sagten sich auch der Vorstand der Kantorei St. Peter und ihr Dirigent Sebastian Goll, als sie beschlossen, am Jubiläumskonzert vom 22. Juni nichts Geringeres als Wolfgang Amadeus Mozarts c-Moll-Messe zur Aufführung zu bringen. Diese gross angelegte Vertonung
des Messetextes, die ohne weiteres Bachs h-Moll-Messe oder Beethovens «Missa solemnis» zur Seite gestellt werden kann, bedeutet mit ihren ausgedehnten virtuosen, aber auch ausdrucksstarken Chorpartien für die Sängerinnen und Sänger eine anspruchsvolle Herausforderung.

Begeisterndes Konzert
Da Mozart aus unbekannten Gründen das Werk nicht zu Ende geführt hat und einzelne Teile der Messe nur in unvollständigen Skizzen erhalten sind, andere sogar ganz fehlen, stellt sich bei jeder Aufführung ausserdem die Frage, ob die vorhandenen Bruchstücke bewusst als Fragment oder in irgend einer Form ergänzt erklingen sollen. Sebastian Goll entschied sich, die fehlenden Teile des Credo und das nicht komponierte Agnus Dei mit entsprechender originaler Musik aus früheren Messen Mozarts zu vervollständigen, eine einleuchtende und geglückte Lösung des Problems. Auch wenn sich diese zehn und mehr Jahre älteren Stücke des jungen Mozart hörbar vom genialen Wurf der Messe in c-Moll unterscheiden, konnte so doch eine komplette Messekomposition mit originaler Mozartscher Musik erklingen.
Unterstützt vom Orchester «amici musici», deren Mitglieder mit der Aufführungspraxis alter Musik vertraut sind und auf historischen Instrumenten spielen, meisterte die Kantorei St. Peter die heikle Aufgabe auf eindrückliche Weise und bewies damit ihr hohes sängerisches Niveau. Zusätzlichen Glanz verliehen dem Konzertabend die ausgezeichneten Solisten, insbesondere die beiden Soprane Jenny Högström und Solenn’ Lavanant Linke, die ihre exponierten Solostücke ebenso mühelos wie beseelt darboten. Das zahlreich erschienene Publikum, das die Kirche bis auf den letzten Platz füllte, dankte den Ausführenden für das eindrückliche Konzerterlebnis mit lang anhaltendem Applaus.

Schöne Jubiläumsschrift
Im Anschluss an das Konzert richteten in einem kleinen Festakt der Kirchenratspräsident Michel Müller und Stefan Turnherr, Präsident des Kirchenkreises eins der Kirchgemeinde Zürich, gratulierende Grussworte an die jubilierende Kantorei, und Thomas Binder, Archivar der Kantorei, präsentierte die von ihm redigierte und verfasste Jubiläumsfestschrift. Den Abschluss des Jubiläumsanlasses bildete ein reichhaltiger auf der St. Peterhofstatt angebotener Apéro, eine willkommene Gelegenheit, das soeben Gehörte im gegenseitigen Austausch nachklingen zu lassen.
Blättert man die umfangreiche, schön gestaltete Jubiläumsschrift durch, erhält man ein anschauliches Bild der wechselhaften Geschichte eines Kirchenchores, der im Laufe der 150 Jahre durch Höhen und Tiefen gegangen ist. Trotz Spannungen mit einzelnen Dirigenten und gelegentlichen Krisen wegen Überalterung und bedrohlichem Mitgliederschwund gelang es stets, den Chor am Leben zu erhalten und schliesslich zur erfolgreichen Kantorei zu formen. Die historische Rückschau von der Gründung des Kirchengesangvereines im Jahr 1869 bis heute wird mit reichem Bildmaterial geschickt verknüpft mit der Entwicklung der Auf- und Umbrüche der Stadt Zürich in diesem Zeitraum. Die Würdigungen der drei Dirigenten Willi Gremlich (1961-1996), Peter Ernst Bernoulli (1997-2009) und Sebastian Goll (seit 2009) lassen deutlich erkennen, wie sehr die Zusammensetzung des Chores und dessen Wirken jeweils durch die musikalischen Vorlieben und den Charakter der Leiter geprägt wurden.
Nachdem in den ersten 90 Jahren der Kirchengesangverein ausschliesslich von Männern präsidiert wurde, übernahm 1960 erstmals eine Frau, Margrit Bhend, die spätere Frau des St.-Peter-Pfarrers Berchtold Trümpy, während zehn Jahren das Präsidium. Auf ein kurzes nochmals männliches Interregnum folgten sich ab 1976 nur noch Frauen im verantwortungsvollen Amt – Genderfragen oder Frauenquoten scheinen im Vorstand der Kantorei St. Peter seither keine weltbewegenden Themen gewesen zu sein. Die Erlebnisberichte der drei Präsidentinnen der letzten 40 Jahre, Marianne Steinbach (1977-1997), Susan Simonius (1997-2010) und Theres Held (seit 2010) dokumentieren, dass diese Aufgabe zwar vielfältig und anregend, aber nicht immer nur Zuckerschlecken ist.

Erfolgreiche Phase
Ganz offensichtlich, und das hat auch das Jubiläumskonzert bewiesen, erlebt die Kantorei St. Peter unter der Leitung ihres Dirigenten Sebastian Goll momentan eine ausgesprochen erfolgreiche Phase. Der Chor besteht derzeit aus rund 70 Sängerinnen und Sängern, mehrheitlich aus Stadt und Kanton Zürich, und kann nicht über Rekrutierungsschwierigkeiten klagen. Mit seinem begeisternden Wesen und der grossen Erfahrung als Sänger und Chorleiter führt Sebastian Goll die Kantorei zu hochstehenden musikalischen Leistungen. Eine Liste der Aufführungen der letzten zehn Jahre belegt die Vielfalt der ausgewählten Kompositionen, zu denen unter anderem so bekannte Werke wie Bachs Weihnachtsoratorium und dessen Matthäus-Passion oder seltener gehörte Stücke wie Robert Schumanns «Der Rose Pilgerfahrt» oder das «Oratorio de Noël» von Camille Saint-Saëns gehören.

Ein Tag voller Musik
Mit Mozarts c-Moll-Messe und der Publikation der Festschrift hat die Kantorei erste Jubiläums-Akzente gesetzt.
Eine Fortsetzung der 150-Jahr-Aktivitäten erfolgt am Samstag, dem 21. September, einem Jubiläumsfesttag unter dem Motto «Singet dem Herrn ein neues Lied» – ein Tag voller Musik in der Kirche St. Peter.
Mit der Idee, dass zu einem Geburtstag auch Gäste gehören, ist es Sebastian Goll gelungen, die Chöre der Nachbarkirchen der Altstadt zu einer Konzertfolge einzuladen: Nach dem Auftritt der Kantorei St. Peter mit Schumanns «Der Rose Pilgerfahrt» werden sich der christkatholische Kirchenchor «Elisabethenkantorei», das Fraumünster Vokalconsort, das Collegium Vocale Grossmünster und die Zürcher Kantorei zu Predigern mit Programmen vorstellen, die ihre je eigenen Qualitäten zur Geltung bringen. Moderiert von David Guggenbühl findet ein Podiumsgespräch mit den Kantoren statt, und am Ende des Tages vereinen sich alle beteiligten Chöre zu einem Schlusskonzert mit Werken aus der Barockzeit, über die Romantik bis zur Gegenwart. Auch zum Gelingen dieses Jubeltags kann man der Kantorei St. Peter nur alles Gute und viele Zuhörerinnen und Zuhörer wünschen.

Matthias Senn

Das Detailprogramm zum Jubiläumsfesttag am 21. September 2019 in der Kirche St. Peter ist zu finden auf www.kantorei-stpeter.ch.