«Menschlich und professionell»

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Mit Rosmarie A. Meier wurde im Alterszentrum Bürgerasyl-Pfrundhaus eine besonders beliebte Zentrumsleiterin verabschiedet. Anlässlich ihrer Pensionierung richteten ihr das Personal und die Bewohnerinnen und Bewohner eine bewegende Feier aus.

Es ist an einem dieser Hitzetage, am Donnerstag, 27. Juni 2019, das Thermometer erreicht 35 Grad. Der Saal im zweiten Obergeschoss ist voll besetzt, vorn ist Platz gespart, ein Mikrofon steht bereit. An dieses tritt nun der Leiter Betreuung und Pflege und Stellvertreter der Leitung des Alterszentrums Bürgerasyl-Pfrundhaus, Stefan Scherrer. Er würdigt die abtretende Leiterin in den höchsten Tönen. Dreizehn Jahre hat Rosmarie Meier das Zentrum an der Leonhardstrasse 16-18 geleitet. Sie sitzt im Publikum und kann sich Folgendes anhören: «Sie hat gelebte Menschlichkeit und Professionalität vereint, war eine verständnisvolle, menschliche Chefin, hat eine warme Atmosphäre geschaffen, war für mich die beste Chefin ever!»
Neben ihren Aufgaben im engeren Sinn hat sie immer wieder Jazzkonzerte und andere Veranstaltungen organisiert, die Öffnung des Alterszentrums Richtung Quartier war ihr ein wichtiges Anliegen.
Es folgt eine Darbietung von einigen Bewohnerinnen und Bewohnern, alle im Alter «90+», ein Schwank. An einem Schalttag, dem 31. Juni, findet eine Besichtigung des Alterszentrums statt. Bei einer Bewohnerin im hohen Alter wird der Blutdruck gemessen: «600 auf 66! Ein Sexwunder! Herzlichen Glückwunsch: Sie sind schwanger!» Gelächter im Saal.
Es werden Häppchen gereicht und Getränke serviert, vom Personal, man wird richtig verwöhnt an diesem Nachmittag.

Gäste erweisen die Ehre
Es folgen einige kurze Gastreferate und Grussworte. Zunächst spricht Gabriele Kaes von der Fachstelle für Demenz. Sie plädiert dafür, ein hohes Alter als Chance zu sehen und sagt: «Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.»
Gret Haller, die sich – auch als Nationalrätin – für die Rechte der Frau eingesetzt hat und Rosmarie Meier seit einem Jahr kennt, tritt ans Mikrofon und trägt ein Gedicht von Hermann Hesse vor.
Irene Schweizer, die bekannte Jazz-Pianistin, verbindet eine fast fünfzigjährige «Jazz-Freundschaft» mit Rosmarie Meier, die sich bereits als Fünfzehnjährige zu den Fans zählte. Sie setzt sich an den Flügel und spielt.
Christoph Marthaler, der bekannte Theatermacher, dessen Mutter Erika Marthaler mehrere Jahre im Alterszentrum gelebt hat und im Frühling mit 97 Jahren gestorben ist, liest ein Gedicht seines Bruders Adrian vor. Christoph Marthaler sagt, es sei ihm immer eine Freude gewesen, hierherzukommen und seine Mutter hätte sich immer wohl gefühlt. In Zürich habe er verschiedenes erlebt – hier habe er immer eine Insel der Ruhe gefunden. – Er leitet über zu einer Cellistin, die ein Stück von Bach vorträgt.
Wolfgang Looss, der Supervisor von Rosmarie Meier seit 1997, spricht von der Führung als Kunsthandwerk, von Vertrauen, von Sensibilität, die es brauche, um gut zu führen.
Zeit für den Bewohnerrat, ein musikalisches Intermezzo zum Besten zu geben, mit dem Refrain: «Oh Rose-Marie! – Wir vergessen dich nie!»

Das gute Leben im Alter
Nun erwarten alle ein paar Worte von Rosmarie Meier. Sie sagt: «Ich konnte Träume verwirklichen, etwas bewirken, etwas tun für das gute Leben im Alter.» Sie hätte sich von der Frage leiten lassen: «Wie hätte ich es gern?» Es sei ihr wichtig gewesen, viel Freiheit zu geben, Mitbestimmung, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Es sei viel gelacht worden.
Sie habe viel gelernt. Gelernt, Abschied zu nehmen. Von Menschen, Bäumen, Gegenständen. Sie habe die Endlichkeit, Begrenztheit des Lebens wahrgenommen: «Wir gehen alle in die gleiche Richtung, wenn wir noch länger leben.» Das habe ihr den Sinn des Lebens näher gebracht.
Sie geht in Pension. Sie freue sich darauf und werde es geniessen. «Aber die Menschen, die Häuser, die Hühner neben dem Haus, all das werde ich vermissen.»
Der Nachmittag geht dem Ende zu, man erhebt sich und verabschiedet sich. Und am Flügel erklingt in der allgemeinen Aufbruchstimmung die Melodie des Songs von Frank Sinatra «I did it my way».

Elmar Melliger