Zunftbratwurst und viel Historie

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Das Restaurant «Zum Grünen Glas» hat eine lange Geschichte und ist auch das Riesbächler Zunfthaus. Schön und geradezu intim ist sein Altstadtgarten, in dem es über Mittag gelegentlich ziemlich laut werden kann. Die ambitionierten Gastgeber Katharina und Gerhard Kiniger und ihr allgegenwärtiger Chef de Service Wilko Bachmann sorgen auch für vinologische Höhenflüge. Unbedingt reservieren!

Für mein Vis-à-vis, die Kosmetikerin Béatrice Wacker, ist es im Restaurant «Zum Grünen Glas» an diesem vorfrühlingshaften Dienstagabend sozusagen ein Besuch in ihrer «Kantine». Denn am Anfang des Jahres hat sie ihr Studio im Nachbarhaus, Obere Zäune 16, das sie seit 2004 bespielt, nach ein Paar Monaten Luxussanierung gottlob wieder beziehen können (www.beauty-zuerich.ch). Von ihrem Balkönli aus sieht und hört sie direkt aufs Gartenrestaurant hinunter.
Die Zunft Riesbach kaufte 1977 die beiden Liegenschaften, die heute zum «Grünen Glas» gehören. Entstanden sind die Bauten 1955 bis 1957, nachdem die ganze Häuserzeile an der Unteren Zäune rübis und stübis abgerissen worden war. Gastgeberin Katharina und Gerhard Kiniger, Küchenchef, haben das 1684 erstmals urkundlich erwähnte Lokal seit 2010 gepachtet. Der erste Wirt, Johann Gottfried Ludwig aus Gotha, hatte einst einen Fechtsaal einbauen lassen, in dem er auch den Studenten Wilhelm C. Röntgen trainierte, der später sein Schwiegersohn und Nobelpreisträger wurde. – Béatrice Wacker arbeitete 15 Jahre im renommierten thurgauischen Fastenhotel Schloss Steinegg, das 2003 liquidiert wurde. Dann dislozierte sie nach Zürich. Ausschlaggebend war, dass viele ihrer Klientinnen und Klienten früher von hier nach Hüttwilen pilgerten, nicht nur weil C.F. Meyer dort 1878 seine Novelle «Der Schuss  von der Kanzel» schrieb, übrigens ohne zu fasten.

Zürcherisch, mediterran, asiatisch
Wir haben im «Grünen Glas» auch nicht gefastet. Béatrice entschied sich – sie ist Vegetarierin – für den indisch inspirierten Curry-Eintopf mit Kichererbsen, Kartoffeln, Papadam und Karotten (Fr. 28.–). Papadam sind dünne Fladen aus Linsenmehl. Interessiert hätte sie auch der glasierte Ziegenkäse, serviert mit einem Kartoffel-Gröstl, Artischockenherzen, roten Zwiebeln und Birnenschnitzen (Fr. 32.–), aber den gibts nicht als Vorspeise. Verführerisch die Polenta Bolognese mit Preiselbeeren und Kräuter-Olivensalsa. Getrunken haben wir einen Alonso del Yerro DO 2013, einen Tempranillo (Fr. 11.– der Dezi).
Tatar ist immer eine gute Wahl, mediterran, asiatisch oder klassisch (alle Fr. 35.–/24.–), serviert mit Toast oderHausbrot und Butter oder mit Züri Frites (Fr. 7.–). In einem anständigen Zürcher Lokal darf das klassische Zürcher Kalbsgeschnetzelte – im «Grünen Glas ohne Nierli –  nicht fehlen (Fr. 44.–). Milken gibts, kross gebraten, auf einer Gewürzbirne mit Friséesalat (17.–, als Vorspeise).

Riesbacher Teller
Mir passte der Riesbacher Teller mit Bauernbratwurst von der stadtbekannten Metzgerei Keller am Manesseplatz, mit Kasseler und Speck auf Sauerkraut (Fr. 33.–). Das nächste Mal dann unbedingt das Ragout von Toni Odermatts Stanser Gitzi vom nachhaltigen «Geissäheimet Meierskählen» (www.meierskählen.ch)! Es sticht ins Auge bzw. in die Zunge, wie Kinigers mit ihren hochkarätigen Lieferanten zusammenarbeiten. Jeden Freitagabend oder auf Vorbestellung (ab fünf Personen) kann man sich auch an englisch gebratenem Roastbeef vom Schrofenhof (TG) mit Kräuter-Hollandaise und einer marktfrischen Beilage gütlich tun (Fr. 39.–).
Auf bald wieder im «Grünen Glas», im Gärtli! Denn der nächste Sommer kommt bestimmt.

Esther Scheidegger


Restaurant «Zum Grünen Glas», Untere Zäune 15, 8001 Zürich, Tel. 044 251 65 04, www.gruenesglas.ch/zunfthaus. Montag bis Freitag 11.30 bis 14 und 17.30 bis 23, Samstag 17.30 bis 23 Uhr.