Christina Profos-Meienberger

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Christina Profos-Meienberger (Cri) ist nicht mehr. Im März 2021 verliess sie ihre Dörfli-Wohnung Richtung Zürcher Oberland. Im November kam sie für einen Moment zurück und winkte vom Bildschirm aus zum Publikum, das sich in Serge Pinkus’ Atelier traf, um der Lesung aus ihren neu erschienenen Texten zuzuhören. Im Oberland verbrachte sie als dreifache Mutter ihre Familienjahre, das Dörfli, wo sie bereits 1975 am Crêpes-Stand Hirschenplatz jobbte, fehlte ihr aber. Da kam ums Jahr 2000 die Anfrage, im Altstadtchor mitzusingen, genau richtig: eine willkommene Chance, dem Land, das sie trotz Weite auch einengte, zu entfliehen. Später zog sie an den Neumarkt, fühlte sich trotz bescheidenen Platzverhältnissen freier.
Sie wuchs im Kreis 6 bei zwei Tanten auf, die Mutter starb kurz nach ihrer Geburt. Die Jugend verbrachte sie in einem katholischen Milieu, ging ins Internat, das sie aber noch vor der Matura verliess. Sie zog nach Delémont, wohnte bei einer Schlummermutter und entdeckte die Fotografie. Nächste Station war Genf, bevor sie in eine WG nach Winterthur zog, die Matura nachholte und ihr Phil-I-Studium abschloss. Längere Reisen führten sie nach Amsterdam, London, Paris, Indien, Afrika. Die Altstadt war für sie Liebe, Leben, Leidenschaft, Freiheit, Begegnung, Flamenco, Musik hören, Klavier spielen, Kreativität, erfüllte Träume, Ausbruch, Halt, ein wahres Daheim. Bereits im Internat begann sie zu schreiben. Sie entwarf ihre Texte stets auf einem Fetzen Papier, es waren Gedanken aller Art. Tisch und Boden waren voll davon, entstanden sind Essays und Lyrik.
Einst von der Chorgasse ins Oberland gezogen, fand sie sich nach der Familienzeit zurück in der Altstadt, von wo es 2021 aufgrund einer 2016 diagnostizierten Demenz erneut ins Oberland ging, wo sich ihr Lebenskreis am 11. September 2022 schloss.
Hätte Cri ihre letzte Reise vielleicht so beschrieben: «Meine Gedanken wurden verwischt, sind mir entwischt und nicht wieder gekommen, Zeit, dass ich von hier entkomme»? Ihr letztes Gedicht schrieb sie 2020.

Zineb Benkhelifa