Passion, der ein Geschäft anhängt

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Seine Schaufenster sind Kult. Wer am Rindermarkt 11 in den Laden blickt, hat gute Chancen, im nächsten Moment zu lächeln. Hinter den originellen Auslagen steht Massimo Biondi, der seit fünfzig Jahren im Metier ist, zusammen mit seiner Frau Margherita.

Schalk, List, Humor, das alles ist anzutreffen bei Massimo Biondi – und findet seinen Niederschlag in den Schaufensterauslagen. Nach einer Schreinerlehre begann er als Antikschreiner zu arbeiten. Im Jahr 1972 – vor einem halben Jahrhundert – wagte er den Schritt in die Selbständigkeit, mit einer Werkstatt zunächst an der Hohlstrasse, dann in den Tiefenhöfen beim Paradeplatz, von 1976 bis 1988, bis Biondis von den Erben der verstorbenen Hauseigentümerin die Kündigung erhielten und Wohnung und Werkstatt-Laden gleichzeitig verloren. Das war hart und die Emotionen gehen gleich wieder hoch, bei dem Thema. Glücklicherweise ergab sich etwas Neues, sie fanden eine Wohnung in der Altstadt und eine Werkstatt an der Trittligasse, als 1998 von neuem eine Kündigung ins Haus flatterte.
Wiederum hatten sie Glück: Am Rindermarkt 11, einer städtischen Liegenschaft, ging Herr Münger nach 40 Jahren Geschäftstätigkeit als Antikschreiner in Pension, und seither hat Massimo Biondi hier Werkstatt und Laden.

Wertverlust
Massimo Biondi besorgt den Einkauf – er hat viele Adressen und Kontakte –, macht die Möbel und Objekte mit Reparaturen und Restaurierungen verkaufsbereit. Letztere, die Restaurierungen, haben in letzter Zeit wieder zugenommen. Man lässt ein schönes Stück aufbereiten, um es zu behalten oder an die jüngere Generation weiterzugeben.
Ansonsten haben es antike Möbel derzeit schwer. Kürzlich hat Biondi einen schönen Zürcher Schrank, der ihm zum Kauf angeboten wurde, Louis XVI von 1780, aus diesem Grunde ablehnen müssen. Der Besitzer musste den Schrank, der früher  einen Wert von 20 000 Franken hatte, schliesslich entsorgen. «Ein Barockschrank, früherer Wert 30 000 Franken? Dafür bekommt man heute noch 1500 Franken. – Es ist tragisch. So schöne Sachen!», sagt Margherita Biondi. Aber Biondis können nicht alles an Lager nehmen in der Hoffnung, dass es in 20 oder 30 Jahren wieder anders aussehen wird.

Originelle Schaufenster
Seine Schaufensterauslage fast wöchentlich neu zu gestalten hat Massimo Biondi mit Bezug des neuen Ladens im Januar 1999 begonnen. Inzwischen ist die liebevolle und originelle Gestaltung längst ein Markenzeichen von ihm geworden. Jemand, so erzählt er, habe ihn einmal um die Adresse seines so kreativen Schaufensterdekorateurs gebeten. Schmunzelnd habe er ihm seine Visitenkarte zugesteckt, worauf der andere ihn auf das vermeintliche Malheur aufmerksam gemacht habe.
Wie er zu seinen Ideen kommt? Unterschiedlich. Da gibt es Saisonales wie Ostern, Sechseläuten, 1. August, Knabenschiessen, Samichlaus oder Weihnachten. Aktualitäten wie eine Pandemie, Klimawandel, Wahlen, das Weltgeschehen. Auch lokale Ereignisse habe eine Chance, in Biondis Schaufenster gewürdigt zu werden. Verewigt wäre das falsche Wort, denn nach einigen Tagen verschwindet das jeweilige Sujet wieder.
Nicht in jedem Fall erschliesst sich der Sinn oder eine Pointe auf Anhieb, weil es Vorwissen voraussetzt oder ein Interna betrifft. Und nicht jede Idee schafft es bis ins Schaufenster. Es gibt Heikles, das verletzend wirken könnte. Hier kommt Margherita zum Einsatz: «Ich bin dann die Zensur.» Massimo Biondi freut es, wenn er Leute reinschauen sieht, die dann schmunzeln oder ihm zuwinken. Oder gar hereinkommen auf einen kurzen Schwatz.

Noch lange weitermachen
Als das Haus vor einiger Zeit während anderthalb Jahren baulich saniert wurde, war Massimo Biondi einige Häuser weiter, am Neumarkt 1, im Exil. Danach konnte er zurückkehren in seine geliebte Werkstatt und hat nun noch einen Mietvertrag bis 2028. Das sollte fürs Erste mal reichen, sagt Margherita Biondi, die ihm den Rücken freihält und alles Administrative besorgt.
Dann wird der heute 77-Jährige, der noch keineswegs ans Aufhören denkt, wieder einige Jährchen älter sein. «Es ist eine Passion, die ich hier lebe», sagt er. «Mit einem Geschäft, das daran hängt», ergänzt Margherita Biondi.

Elmar Melliger