Frisches Blut am Rindermarkt

Mit landesweitem Mediengetöse eröffnete jüngst die sanft renovierte «Bauernschänke». Der Grund: In der Zürcher Quartierbeiz steht ein junger «Koch des Jahres» am Herd.

Rasch ging vergessen, dass die städtische Liegenschaftenverwaltung der Wirtin Eva Haessig den Vertrag nicht verlängerte. Nach zwanzig Jahren «Bauernschänke». Sie wäre gerne weitere fünf Jahre geblieben. Nichts half. Die Stadt nahm einen Neuen. Das heisst, sie nahm drei Neue: Valentin Diem als Manager, Nenad Mlinarevic als Koch und Patrick Schindler als Sommelier.
Sylke Gruhnwald und ich hatten zum Essen abgemacht. Bei mir. Aber die Nachbarn hatten andere Pläne: Party, Party, Party auf dem Dach. Das Duz-Duz-Duz ihrer Boxen schlug uns in die Flucht. Zu unserer Überraschung hatte die «Bauernschänke» draussen einen freien Tisch; Sylke guckte Richtung Neumarkt, ich zum Stüssihof, und beide zum Geschäft von Julian Zigerli, dem Schweizer Designer, der die Räume vom Second-Hand-Laden Razzo temporär übernommen hatte und für das Personal der «Bauernschänke» die Uniformen schneidert. In Schwarz (what else?). Gentrification hat auch ihr Gutes.

Bares für Rares
Sylke ist Reporterin beim Online-Magazin Republik.ch und an diesem lauen Abend einem Glas Weissen nicht abhold (um dieses Wort wieder einmal einzusetzen). Wir bestellen uns eine Flasche Sauvignon Blanc vom Weingut Eichholz – worauf sich der Sommelier erst die Gäste anschaut, bevor er eine Flasche hergibt. Gekeltert wird der Weisse von Irene Grünenfelder, die in Jenins im föhnigen Bündner Rheintal einen Einfraubetrieb führt.
Kurz: Jeder Schluck ist die 81 Franken wert. Wobei man sagen muss: Die Preise sind angemessen, eine Guttere Neuenburger Chasselas kostet 58 Franken. Selten überspringt der Preis eines Weins die 100-Franken-Grenze – und Patrick der Sommelier hat offenbar eine gute Nase für Rares und Gutes, Rares ist ja nicht notwendigerweise auch gut.
Beim zweiten Glas bringt die gutgelaunte Kellnerin das Sauerteigbrot mit «Tunke» (Fr. 6.50), weiss der Geier, wie dieses Wort aus der zukünftigen Ex-DDR seinen Weg in die Zürcher Altstadt fand, dann das Schweinebauchgröstel (ein Wort aus dem Tirol) auf Kopfsalat (Fr. 24.–) und der grillierte Schweizer Spargel mit einem halbflüssigen Ei (Fr. 22.–). Alles hübsch angerichtet auf japanischem Geschirr. Und lecker wie das Kalb (Fr. 36.–), das Sylke und ich im Zeitalter der Shared Economy ebenso teilen.

Geruch von Freiheit
Nenad der Koch wird uns nach dem Essen erzählen, die Freiheit, etwas bestellen zu können wie dieses dünnwandige und doch pickelharte japanische Steingutgeschirr, und die Portionen so herrichten zu können, damit zwei Leute sie teilen können, aber nicht müssen, das sei ihm wichtiger als eine Brigade zu führen und sich mit dem Management herumschlagen zu müssen.
Dann schwingt er sich winkend aufs Velo, ein schlanker Mann mit sympathisch bescheidenem Lächeln. Vermutlich steht er lieber hinter als vor den Kulissen.
Nenad Mlinarevic ist ein Zürcher Gewächs. Sein Papa war im Führerstand der Dolderbahn. Der Sohn hat mit seinen 36 Jahren schon sehr viel erreicht: einen Stern im Gastroführer Michelin und «Koch des Jahres 2016» von Gault & Millau. Silke und ich gehen zum Müller Thurgau über, den gibts auch offen (Fr. 9.– der Dezi), und zum Espresso (Fr. 4.50).
Wir zahlten für den Abend keine 250 Franken und fanden, hier gehen wir wieder hin. Super Essen, sympathische Bedienung, tolle Weine und dann war auch noch das Wetter gnädig. Was mehr kann man sich wünschen?

René Ammann*

 

Restaurant «Bauernschänke», Rindermarkt 24, 8001 Zürich, Tel. 044 262 41 30. Montag bis Freitag 11.30 bis 14 und 18 bis 24 Uhr, Samstag 18 bis 24 Uhr, Sonntag geschlossen, www.bauernschaenke.ch.

*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit der Altstadtbewohnerin Sylke Gruhnwald. Sie arbeitet als investigative Reporterin beim Online-Medium Republik.ch.