Türen mit Innenleben

Werkstattbesuch mit dem Altstadthaus im Alterthümer-Magazin: «Bitte berühren» heisst es in dieser Ausstellung, was sich die über zwanzig Besucherinnen und Besucher dieses Werkstattbesuches nicht zweimal sagen liessen.

Die Zürcher Denkmalpflege beherbergt in ihrem Bauteillager in Stettbach einen riesigen Fundus an Bauelementen, die aus Häusern herausgerissen und nicht mehr eingebaut werden. Die Devise der Denkmalpflege lautet: sammeln und recyceln! Was in einem Haus seine Funktion verloren hat, findet in einem anderen nochmals Verwendung. Bedingung ist, dass es sich um ein Haus handelt, das kantonal oder kommunal unter Schutz gestellt ist. Die Bauteile gelangen unterschiedlich ins Lager: im Voraus von der Denkmalpflege gesichtet und sauber abgetragen oder auch im letzten Moment aus der Baumulde gerettet wie ein Stück Deckenstuck aus der ehemaligen Gewerbebank an der Rämistrasse! Ein Handwerkerteam ist für die Restaurierung verantwortlich.

Magazin und Ausstellung
Kostbarkeiten und Kuriositäten aus dem Bauteillager gelangen ins Alterthümer-Magazin, das in der städtischen Selnau-Siedlung beheimatet ist, wo sie besichtigt werden können. Hier werden wir von Sandrine Keck begrüsst und durch die aktuelle Ausstellung geführt. Neben der «Sammlung», die aus einer Fülle von Biberschwanzziegeln, Kacheln, Bodenplatten, Gartenbeet-Umrandungen, über prächtige farbige Fenster, zum Teil mit Bleiverglasung, kunstvoll geschmückten und bemalten Toilettenschüsseln, gewaltigen Kronleuchtern, Lampen und einer riesigen Auswahl von zum Teil handbemalten Tapeten besteht, um nur einige Ausstellungsstücke zu nennen, gibt es eine aktuelle Ausstellung. Diese dauert ein Jahr und wird jeweils im September zur Langen Nacht der Zürcher Museen mit einem neuen Thema eröffnet.

Türen mit kleinem Hinterraum
Die aktuelle Ausstellung ist der Tür gewidmet. Um uns neugierig zu machen, verbergen die Türen einen winzigen Raum mit einem Innenleben aus einer Zürcher Örtlichkeit. So die ehemalige Toilettentüre, die Zeugnisse der bekannten Villa Tobler zeigt oder die klassizistische Türe mit Glaseinsatz, die eine originale «Häfeli-Locke» aus dem Kongresshaus versteckt. Hinter einer Nussbaumtüre ist die Telefonstöpselanlage aus dem Zürcher Rathaus zu sehen, die beim Liftausbau 2007 gefunden wurde. Oder hinter der Tür der ehemaligen Brauerei an der Brandschenkestrasse steckt eine originale Ausbruchssirene aus der Psychiatrischen Klinik Rheinau. Hinter einer rosaroten Türe ist die Abbildung der Orangerie aus dem Jahre 1740 aus dem Stockargut zu sehen und hinter einer Wohnzimmertür verbergen sich im Rahmen der «Purisierung» entfernte Glasbausteine aus dem Haus Metropol und ein Art-Déco-Tisch aus der ehemaligen Bar «La Ferme». In jedem Innenraum ist ein kurzer Text über den Ort zu lesen. Das Ganze ist sehr originell und mit sehr viel Liebe ausgestellt.

Ein Sammelsurium
Sandrine Keck begeistert uns mit vielen kleinen Anekdoten zu den Exponaten und es ist ihr anzumerken, dass sie ihre Arbeit liebt – sie ist mit Leib und Seele dabei. Mit einem stolzen und verschmitzten Lächeln zeigt sie auf einen Gartenstuhl, der vermutlich Max Frisch gehört hat – Pfeifenrauch ist aber nicht mehr zu riechen! – Nach der Führung bleibt Zeit, selber durch die Ausstellung zu gehen und die Gegenstände zu besichtigen.
Da ist dieser wunderbare Thermaherd um 1920 aus der Villa Streiff in Küsnacht, raffiniert ausgestattet bis zum Fach zum Tellerwärmen, ein wahrer Rolls Royce unter Herden. Aus den «stillen Örtchen» der Zürcher Wiesenstrasse und der Seidenspinnerei in Aeugst stammen die wunderschön bemalten Keramiktoiletten ab 1890. Verschiedene Fenster mit Bleiverglasung aus Kirchen, Geschäften und Haushaltungen stehen an den Wänden und erzählen Geschichten aus vergangenen Zeiten. Ebenfalls vieles zu erzählen hätten sicher auch die beiden Drachen aus Bronze, Männchen und Weibchen, Wasserspeicher von 1572/78 aus der Klosterkirche in Rheinau. In Vitrinen sind kostbare Schlösser aller Arten, Hunderte von Schlüsseln aus verschiedener Epochen und ein Ballett von Türklinken zu besichtigen. Die wunderschönen und edlen Tapeten, zum Teil handbemalt, liegen in dicken Alben zum Anschauen bereit. Immer wieder hört man eine Person sagen, so etwas habe sie auch in der Wohnung. Oder Ulla Grob, die fröhlich darauf hinweist, dass das Wandgemälde, am Anfang der Ausstellung, das eine höfische Tanzszene aus dem 14. Jahrhundert zeigt, bei ihr zu Hause an der Glockengasse abgelöst wurde, weil es durch die Feuchtigkeit im Keller bedroht war. Beim Waschzuber mit Holzfeuerung werden ebenfalls ein paar Erinnerungen wach und ein Besucher lacht und meint, dass da die Wäsche gerührt und gekocht wurde, denn schliesslich heisse es ja Waschküche.
Beim anschliessenden kleinen Apéro sind alle gleicher Meinung: ein sehr lohnender Ausflug, der nur weiterempfohlen werden kann! Und alle bedanken sich herzlich bei Sandrine Keck für die überaus gelungene Führung durch die sehenswerte Ausstellung.

Christine Schmuki


Alterthümer-Magazin, Sihlamtsstrasse 4, Eintritt Fr. 5.–. Öffnungszeiten: jeder erste Mittwoch im Monat, 18.30 Uhr und jeder erste Samstag im Monat, 14 Uhr.