Flüsternde Engel, schneidige Rüden

Unsere Kulinarierin hat den «Rüden» besucht und sich schwelgend den dort gebotenen erlesenen Speisen und Weinen hingegeben.

Dass der «Rüden» am Limmatquai etwas Besonderes ist, haben wir schon als Kinder erfahren. Wenn in unserer grossen Familie eins die Volljährigkeit erreicht hatte, luden es die Eltern ins Haus ein, das den schneidigen Hund im Wappen führt. Es gab immer Geschnetzeltes mit Rösti und, ja, auch einen Schluck Wein oder zwei. Das «Rüden»-Mahl war in unserer Familie so etwas wie die Aufnahmezeremonie in die Erwachsenenwelt.

Vornehm
Das Haus zum Rüden, flaggengeschmückt und mit vornehm grauer Fassade, ist das hochfahrendste unter den stolzen historischen Gebäuden, die wie eine Perlenschnur der Limmat entlang aufgereiht sind und die nicht nur die Chinesen und Koreaner entzücken. Unter allen diesen historischen Bauten ist der «Rüden» etwas Besonderes: kein Zunfthaus nämlich, bewahre, sondern das Heim der Gesellschaft zur Constaffel, die ihre Wurzeln in der Zeit vor der Brun’schen Zunftverfassung hat und in der die ganz alten Familien, «die Reste des einstigen Meliorats» versammelt sind, wie es auf der Website www.con­staffel.ch heisst. Noch heute treffen sich in dieser Gesellschaft besonders herausragende – im Wortsinn «prominente» – Persönlichkeiten. Dass diese Herren auch von der Küche ihres Hauses etwas Besonderes und Mehrbesseres erwarten, liegt auf der Hand.

Ausgezeichnete Küche
Erfüllt werden die Wünsche seit August 2015 von einem neuen Gastgeber-Team, das vom Ehepaar Tami und Giovanni ­Pecoraro geleitet wird und mit Küchenchef Alex Seifermann einen Meister seines Faches besitzt. Er ist ein vielfach ausgezeichneter Gourmet-Koch; viele werden ihn noch vom Alden Hotel Splügenschloss her kennen. Der Stil, den Seifermann und seine begeisterte junge Truppe an Zürichs Touristenmeile bringt, ist elegant, fantasievoll, manchmal gewagt. Im Februar hat er zum Beispiel fröhlich Kalbskutteln und Lan­gustinen kombiniert und mit Chardonnay-Sauce und Kefen dargereicht. Seifermann kocht resolut am High-End der sonst eher touristisch und kommerziell orientierten Altstadt-Gastronomie. Jeden Monat gestaltet Alex Seifermann ein Degustationsmenu, dem wir uns schwelgend hingegeben haben.
Getrost darf man sich übrigens auch auf die Weinempfehlungen zu diesem Menu einlassen. Wir verliebten uns förmlich in einen Rosé aus Südfrankreich, der den poetischen Namen «Whispering Angel» (flüsternder Engel) trug und bei dessen Genuss man in der Tat die himmlischen Heerscharen singen hört. Der Hausherr, der zusammen mit seinem Chef de Service Michele Picone den Weineinkauf kenntnisreich und passioniert besorgt, stösst auch immer wieder auf unbekannte Kostbarkeiten, zum Beispiel den eleganten, nicht zu süssen Gewürztraminer von Zahner in Truttikon. Das Menu mit individueller Weinbegleitung kostet zwischen 123 (3 Gänge) und 196 Franken (6 Gänge). Das ist nicht wenig Geld, aber ein faires Angebot mit einem Gegenwert, der – da wetten wir drauf – der Aufmerksamkeit der Herren Gault & Millau nicht entgehen wird.
Das A-la-carte-Angebot spiegelt das gleiche, dem Ort und dem wunderschönen Rahmen geschuldete gastronomische Konzept: Erlesene Spezialitäten wie ein Muotathaler Kalbsfilet (Fr. 52.–) oder ein Filet vom irischen Hereford-Rind (Fr. 56.–) kommen in exquisiter Begleitung: Ersteres mit Kartoffel­gratin, Wirz und Teriyaki-Currysauce, Letzteres unter einer Schalotten-Senfkruste mit einem winterlich passenden Strauss von glaciertem Gemüse und ­Rösti. – Geschnetzeltes steht zwar nicht auf der Karte, aber wer es mag, kann es bestellen.
Der «Rüden» verfügt auch über eine der schönsten und gepflegtesten Bars weit und breit, mit kleinem Boulevard. Dort empfangen die Bardamen Bea Amberg und Brigitte Weber viele Stammgäste, gerade auch aus dem Quartier, die das Bessere vom Guten zu unterscheiden wissen. Hier wird auch der kleine Snack gepflegt (zum Beispiel Käse mit Honig und Baumnüssen, Fr. 10.50).

Esther Scheidegger


Haus zum Rüden, Limmatquai 42, Tel. 044 261 95 66. Bar und Boulevard Sonntag Ruhetag, Restaurant Gotischer Saal Dienstag bis Freitag 11.30 bis 14 und 18.30 bis 24 Uhr geöffnet, Samstag nur Abend, Montag nur Mittag. Bankettsaal Rüdenstübli (10 bis 40 Personen), Constaffelsaal (30 bis 150 Personen).