Der rote Balthasar

Zürich hat einen neuen, vierten Stadtheiligen: Das Restaurant «Baltho» an der Marktgasse heisst nach Balthasar, einem der Heiligen Drei Könige und Sterndeuter aus dem Morgenland. Balthasar gilt als Schutzpatron der Pilger, der Reisenden und des Gastgewerbes.

«Wir haben viel zu viele Wirtschaften… An der Niederdorfstrasse sind etwa 23 Wirtschaften, an der Schoffelgasse 11 Häuser mit 7 Wirtschaften. Dass das des Guten zu viel ist, wird ohne weiteres anerkannt werden müssen; dass man da noch von einem Bedürfnis reden könne, wird niemand behaupten wollen. Die Stadt Zürich hat im Ganzen rund 1100 Wirtschaften, die alkoholfreien nicht inbegriffen, es trifft also eine Wirtschaft auf ca. 155 Einwohner. Mindestens die Hälfte der Wirtschaften könnten geschlossen werden…» So lamentierte 1908 ein Pfarrer Bosshard, der sich im Niederdorf bestimmt auch des «Heiris» angenommen hätte, der ein Kalb verkauft hatte und wollte, «dass öppis lauft». Im Niederdorf. Ob «de Heiri aus Hausen» auch im «Rot­hus» einkehrte, können wir die Autoren Walter Lesch, Werner Wollenberger und Max Rüeger nicht mehr fragen.

Geschichtsträchtiges Haus
Das «Rothus» war seit 1490 ein Gasthaus. Erst Emil Bäggli (1896-1966) machte es zu einem veritablen und auch profitablen Gesamtkunstwerk. Nachzulesen im eben erschienenen Buch «An der Fluchgasse. Ein Ort voller Geschichte und Geschichten im Zürcher Niederdorf» von Barbara Franzen und Andreas Z’Graggen. Für Altstadt­bewohner/innen eine – spannende – Pflichtlektüre!
Können Sie sich vorstellen, dass Dancings in Zürich bis 1928 regierungsrätlich verboten waren? Im ersten Stock des «Rothus» liess Bäggli 1944 anstelle des Tea-Rooms Rosmarie die «Golden Bar» einrichten. Die «Buurestube» nebenan, im «Heimelig-Stil», bestand bis in die 1990er-Jahre. Im ehemaligen Steinkeller baute er 1949 einen Tabak­laden in die Bier- und Wurstbeiz, den «Tiefen Keller» ein. Und die Schnecken im «Stägefässli» waren noch in den Achtzigerjahren nicht nur bei Gemeinderäten ausserordentlich populär, aber erst nach den Sitzungen im nahen Rathaus, wegen des nachhaltigen Knob­lauchs in der Butter.

Klein und fein
Das neue Gastro-Konzept – nun nur noch im Parterre – hat Beat Curti, der Eigentümer der Liegenschaften «Rot­hus» und «Goldenes Schwert», der Migros-Tochter Ospena Group AG über­antwortet. «Baltho» ist Restaurant und Bar zugleich. Hier war früher das «Red House», ein im braven Zürich zwielichtiges, plüschiges Cabaret-Bordell, ein Sündenpfuhl. – Heute lässt man sich von Bruno Hurter und seinem Team ­bekochen; er war zuvor Executive Chef im Waldhaus Flims gewesen. Fix ist die «Baltho Woche», montags gibts Pot-au-feu und ein Dessert für 32 Franken, dienstags Kalbshacktätschli und Kartoffelstock (35.–), mittwochs Fish & Chips (27.–), donnerstags Surselva-­Capuns (24.–), freitags Whiskey-Lachs mit Mohn und Süsskartoffelragout (32.–) und am Wochenende Pastrami (geräuchertes Rindfleisch) mit Stampfkartoffeln, Rüebli und Sauce béarnaise (38.–). Die jeweils zwei Mittagsmenüs mit Salat oder Suppe kosten 21 resp. 24 Franken.
Die A-la-carte-Speisekarte wechselt ­wöchentlich, sie wird prinzipiell klein gehalten: Fünf Vorspeisen, fünf Hauptgerichte und fünf Desserts.
Wir delektierten uns à la carte an kaffeemarinierter Pouletbrust mit Süss­kartoffeln und Limetten-Chili-Butter, und an Miesmuscheln im Tom-Kha-Sud. Die Entenrillette mit Bananen-­Ketchup war köstlich.
Beherzigenswert sind die Getränke-Tipps: Bier aus der Flühgasse im Seefeld (33 cl à Fr. 7.50) schmeckt gut, der Pilgrim Triple Ambrée aus Fischingen im Thurgau auch. Ein sicherer Wert ist der steiermärkische Gamlitzer Sauvignon Blanc vom Sattlerhof (Fr. 10.50 der Dezi).

Esther Scheidegger

Restaurant «Baltho» im Hotel Marktgasse
Marktgasse 17
8001 Zürich.
Tel. 044 266 10 14,
www.balthokuechebar.ch.
Montag bis Samstag 11 bis 14, 18 bis 24 Uhr, Sonntag bis 22 Uhr.