Knochenbruch und Kikeriki

Das Restaurant «Schützengasse» hiess früher noch «Gessnerallee», was geographisch auch passte. Unser AK-Doyen Peter Keck hätte sich seinerzeit gern mit dem feudalen Zürcher VIP Salomon Gessner (1730-1788) dort getroffen. Die ehemalige «Chnelle» heisst mittlerweile Restaurant «S» und ist ein gediegen schräges In-Lokal.

«Mich erblickte das Licht der Welt am 16. März (1900). Als Fisch geboren, mit einer Zwillingsschwester in Zürich an der Schützengasse, bis 50 knochenStier, war mit 4 Sternzeichen die Voraussetzung für ein kommendes Genie gegeben…» Diese wunderbar kurlige Geburtsanzeige stammt vom Maler Willy Guggenheim, der später als Varlin berühmt wurde.
Seit einem Jahr führen die Gastro-Profis Bruno Exposito und Valentino Sivillica den ehemaligen Gasthof an der Sihl, der aufwendig, aber sanft ­renoviert worden war, als ihn Fabio Gardoni und Bruno Exposito 2012 übernahmen; Gardoni wurde seine Mehrfachbelastung vor einem Jahr zu viel. Valentino Sivillica, «vorbe­lastet» zum Beispiel mit mehreren Jahren «Münsterhöfli» und auch schon seit vier Jahren im «S», hat Gardonis Part übernommen. Der leidenschaftliche Velofahrer ist voll dabei, kulinarisch versiert und ein Fan seiner Stammgäste, mit Feu sacré.
Eigentlich hätte ich mit Horace hin­gehen müssen, doch der war gerade nicht abkömmlich. Diesem liebenswerten, mir familiär vertrauten Cairn Terrier und nicht etwa Varlin verdanke ich nämlich – indirekt sozusagen – den Tipp, das Lokal zu besuchen. Von Horace und seinen beiden Freunden Tyron und Wanda, er ein ungarischer Vorsteherhund, sie eine Parrson Russell. Deren Besitzer eben ist Valentino Sivillica. Das Trio und auch die beiden Besitzer befreundeten sich, weit weg, in Wollishofen, wo besagter Valentino früher wohnte.

Schweizerisch-mediterran
Im «S» wird mittags und abends weiss aufgedeckt, drinnen (65 Plätze) wie draussen (40 Plätze), dazu kommen noch 20 Plätze im Stübli im ­ersten Stock. Gekocht wird schweizerisch-mediterran. Stadtbekannt ist der «Knochenbruch», das Markbein mit Fleur de Sel und Olivenöl, als ­Vorspeise (Fr. 16.50). Das Tomatencrème-Süppchen mit Gin sei ein britisches Meisterstück, heisst es auf der Karte. Der spanische Rohschinken wird mit Burrata kombiniert (Fr. 21.50/28.50). Die Pasta, das sind beispielsweise hausgemachte Pappardelle mit Crevetten an Tomatensugo, flambiert mit Cognac (Fr. 21.50/ 33.50). Oder Hackfleisch-Tortelloni mit Salbei (Fr. 20.50/28.50). Es gibt täglich drei wechselnde Mittags­menüs und eine saisonal inspirierte Spezialitäten-Karte. Langweilig wird es nie! Hinter dem Buffet steht zuverlässig Faruk, lächelnd.

Traditionelle Schmeckerei
Auch die klassische Küche wird gepflegt. Das «Kikeriki» ist ein Mistkratzerli im Terracottatopf, der Hackbraten eine «traditionelle Schmeckerei» (je Fr. 33.50). Das teuerste Gericht ist das Rindsfilet mit Kräuterbutter oder grünem Pfeffer (200 Gramm für Fr. 52.–, 300 Gramm für Fr. 78.–). Das Thunasteak mit Sesam schmeckt die Küche (da wirken vier Personen) mit Soja-Chili-Dressing ab (Fr. 42.50).
Die Speisekarte, die Bruno Exposito am Computer kreiert, bietet übrigens auch sprachlich einiges. Man lernt da zum Beispiel: «Well done» sei «ganz durch. Verbrannt sozusagen oder in der Fachsprache Schuhsohle. Du hast ein Stück Natur ruiniert und der Koch hasst dich dafür. Aber wenn du es so haben willst, bist selber schuld.»
Jassen ist im «S» immer noch erlaubt – nach dem Essen und nur während der Öffnungszeiten (ab 14.30 bis 18 Uhr geschlossen!). Die historische Matte wird von Stammgästen auch gern geordert. Stammgast wird man spätestens beim ersten Besuch! Erlaubt sind im zweistöckigen Lokal übrigens auch Hunde. Wau!

Esther Scheidegger

Restaurant «S», Schützengasse 32, 8001 Zürich, Tel. 044 500 10 30. Offen Montag bis Freitag 11.30 bis 14.30 und 18 bis 24, Samstag 18 bis 24 Uhr. Samstagmittag und Sonntag geschlossen, www.schuetzengasse.com.