Im Fleischkäsehimmel

Ein Werkstattbesuch mit dem Altstadthaus führte in die Metzgerei Bär am Rennweg, wo die Gäste bei der Entstehung des berühmten Bär-Fleischkäses dabei sein konnten.

Der Bär-Fleischkäse mit Leber ist legendär und einmalig und weit über Zürich und sogar die Schweizer Grenze hinaus bekannt. Wer den feinen Lebergeschmack mag, kommt immer wieder vorbei, um diese Köstlichkeit zu kaufen.
Felix Bär ist ein blendender Erzähler, dem man gerne zuhört. Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, dass man ihm auch glauben würde, wenn er behaupten täte, er füge seinen Weisswürsten 10 Prozent Sägemehl bei, um sie bissfester zu machen – was selbstverständlich nicht zutrifft, gehören doch gerade seine Weisswürste zu den Besten am Platz. Den 23 Besuchern und Besucherinnen des Werkstattbesuches offeriert er gleich zu Beginn neben einem Glas Wein frisch gebackenen Fleischkäse mit Brot, um seine Gäste so richtig einzustimmen und gluschtig zu machen.

Die fünfte Generation
Felix Bär führt die Metzgerei und Charcuterie in der fünften Generation. Die älteste Metzgerei in Zürich wurde 1874 gegründet und ist bis heute am selben Standort, am Rennweg 50, zu finden. Diese Tradition verpflichtet auch und darum wird in der hauseigenen Wursterei täglich Frisches und Feines zubereitet. Die Grundmasse für Würste, Aufschnitt und Fleischkäse ist Brät. Das stellen wohl alle Metzger gleich oder ähnlich her. Wichtig und geheim ist aber die Würzmischung, die Felix Bär nach ­altem Familienrezept genau abwägt. Auch der Gutsch aus der Maggi-Flasche scheint sehr wohl dosiert.
Wir erfahren die Unterschiede von verschiedenen Wurstarten, von Roh­würsten, wie Salami und Pantli, die ungekühlt haltbar sind, von Koch­würsten wie Blut- und Leberwürste, die gekocht und heiss in Därme abgefüllt werden und nur ein paar Tage haltbar sind – nach einem Rezept der Familie heute aber nicht mehr am Rennweg hergestellt werden, da der Geruch bei der Herstellung sehr stark und in einem Wohnhaus nicht mehr zumutbar ist. Die Brühwürste wie Bratwurst und Cervelat werden hier in der Metzgerei hergestellt und gekocht. Erstaunlich ist auch zu erfahren, dass vor allem der Cervelat am 1. August extrem gut verkauft wird – die Nationalwurst? Nicht nur. Auch die Grossmutter von Felix Bär, die in vielen Erzählungen sehr liebevoll erwähnt wird, schätzt es, wenn der Enkel beim Besuch im Altersheim nebst einem Päcklein Zigis auch einen Cervelat mitbringt. Die 102-Jährige freut sich über beides! Und da sind noch die Grünwürste, die roh verkauft werden und von den Käufern zu Hause selber gekocht werden. Dazu gehören auch die berühmten Weisswürste, die Quartierbewohner und Quartierbewohnerinnen jeweils am Quartierfest in der Frauenbadi mit süssem Senf geniessen können.

Die heilige Halle im Hintergrund
Nach der spannenden und sehr unterhaltsamen Einführung dürfen alle in die «Werkstatt» der Charcuterie. Hier können wir bei der Zubereitung des eben genossenen Fleischkäses zusehen. Fleisch, Speck, Zwiebel und Zitrone werden in die Maschine gegeben. Die heisst Blitz und ist wie ein überdimensionaler Fleischwolf mit grossen, extrem scharfen Messer­rotoren. Der Name stammt wohl daher, dass die Maschine, von Bärs in den Sechzigerjahren angeschafft und mit einem Motor, der dreimal ersetzt wurde, wie der Blitz, aber mit einem Höllenlärm die Zutaten zu dem samtigen Brät verarbeitet, das wir kennen. Dann kommt eben die geheime Mischung der Gewürze dazu und fertig ist die Masse. Dem berühmten Bär-Fleischkäse wird dann noch Leber zugefügt und dann wird er in den speziellen runden Formen zweieinhalb Stunden bei 250 Grad gebacken. Zum Schluss kommt noch eine Schicht flüssige Sülze darüber und fertig ist die Köstlichkeit, die dann halbiert knapp drei Kilo schwer auf den Ladentisch kommt und wovon sich die Kunden ein kleineres oder dickeres Stück abschneiden lassen. Viele Auslandschweizer lassen es sich nicht nehmen, diesen Spezialfleischkäse in ihr zweites Heimatland zu exportieren.
Bei dieser Nachfrage ist die Produktion von acht bis zwölf Fleischkäsen pro Tag notwendig. Nachdem die traditionellen runden Formen im Handel nicht mehr erhältlich waren, hat Felix Bär einen Handwerker gefunden, der diese speziell für die Metz­gerei hergestellt hat.

Metzg gestern und heute
Neben den Metzgereien in den Grossverteilern hat sich in den letzten 40 Jahren die Zahl der herkömmlichen Metzgereien in der Stadt von etwa 200 auf heute noch 20 verringert. Der Fleischimport und -export hat sich sehr verändert. Bei uns ist die Nachfrage nach teuren und edlen Fleischteilen wie Filet und Huft sehr gross. Nun machen diese Stücke nur drei bis vier Prozent eines Rindes aus, was dazu führt, dass die edlen Fleischteile importiert werden müssen und die günstigen Fleischteile für Siedfleisch oder Ragout in den Osten exportiert werden. – In Felix Bärs Laden hat die Wurst das Fleisch quasi überholt. Das Verhältnis des Verkaufs von Wurstwaren zu Fleisch beträgt bei ihm heute sieben zu drei. So nennt uns Felix Bär die Filetgesellschaft. Recht hat er.

Christine Schmuki