Wiedersehensfreude

Betreff: Wiederfinden
Datum: Dienstag, 15. Februar 2005 14:18 Uhr
Von: stadtwanderer@schipfe.ch
An: strandläufer@zürichberg.ch

Lieber Strandläufer

Wenn man vom Teufel redet, kommt er. Ich sass ganz selbstzufrieden in «Lucy’s Bar», das Gespräch ging hin und her, aber hauptsächlich hin, denn einer erzählte, was er im Ausland für Heldentaten verrichtete, damals, als er noch jung war. Ich dachte, ach ja, der Strandläufer, das war doch auch so einer, die Tür geht auf und, cucu!, wer steht im Rahmen? Der Strandläufer!
22 Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, und wer findet mit seinem untrüglichen Instinkt für das Echte, Grosse und Wahre das Zentrallokal der Losen Vereinigung Barkante (LVB)? Der Strandläufer. Welcome back in Züri eis. Nach einem halben Leben im Ausland brauchtest du grad fünf Tage, bis du die richtige Beiz gefunden hattest.
Weisch no denn? Wie wir die Könige des Pausenplatzes waren im Mööslischulhaus, wie wir das Auto deines Vaters während der Gebrauchsleihe angekratzt haben, wie wir beide auf Lisi Steun scharf waren. Zusammenfassend: Wir badeten in Erinnerungen. Dann kamen deine alten Kamerädli dran. Was macht Etienne, was Lausanne-Fan Margadant, was der Housi, wo sind Fläsche, Christfried Palmer und Tomy Halperin? hast du gefragt. Da wurde mir bewusst, wie lange du weg warst, so weg, wie alle deine Barkantenfreunde unterdessen auch.
Was ist mit dem Dorf, hast du gefragt? Also, mein Lieber, das ist so. Während du bei den Antipoden hocktest, wurde die Altstadt gründlich stubengereinigt. Die Gentrification ist abgeschlossen. Alle Häuser wurden renoviert und die Wohnlöcher herausgeputzt. Wo früher die Studenten, Künstler, Härdlütli und Eisenleger billig und ohne Komfort hausten, wohnen nun gediegen anständige Leute, die einem Verein angehören und ein Lohnkonto haben. Vergiss das Dorf von damals und sieh dir das von heute genau an. Nimm die «Malatesta». Ein verrauchtes, vergammeltes, von allen geliebtes Schitterlokal wurde zum eleganten Fischladen. Voilà tout. Stell dich auf den Hirschenplatz und du riechst die Millionen an Renovationsstutz, die dich umzingeln. Selbst das Wellenberg ist kein Puff mehr.
Eines musst du mir aber noch erklären: warum nennst du dich Strandläufer?

Mit Wiedersehensfreude
dein Stadtwanderer