Nachruf auf Mirjam Bertsch

Mirjam Bertsch war eine aussergewöhnliche Frau und sie hat ein aussergewöhnliches Leben geführt.

Sie wurde am 16. Oktober 1933 am Bodensee geboren. Sie war die Älteste der Grossfamilie Bertsch mit sechs Kindern. Die Rolle als Älteste hat sie immer verantwortungsvoll übernommen: in jungen Jahren hat sie geholfen, elterliche Erziehungsprinzipien aufzuweichen und eigene Lebenswege frei zu machen und in späteren Jahren war sie immer besorgt um den Zusammenhalt unter den Geschwistern. 1947 erkrankte Mirjam Bertsch an Kinderlähmung. Mit eisernem Willen und in kleinen Erfolgsschritten hat sie die Lähmung überwunden. Geblieben ist eine Verkrümmung des Rückens, der sie immer wieder schmerzte, sie aber nicht in ihrer Lebenslust behinderte.
Mirjam Bertschs Eltern pflegten das Prinzip, dass alle Kinder einen Teil ihrer Erziehung und Ausbildung in einem Internat durchlaufen sollten. So hat sie die Sekundarschule im Kloster Maria Hilf in Altstätten besucht und im Internat des Klosters Maria Opferung in Zug hat sie die Handelsschule absolviert. Danach begannen ihre Lehr- und Wanderjahre als Hotelfachfrau in Paris, London, Spanien und auf den Kanarischen Inseln. Das Leben während dieser Auslandjahre hat sie in vollen Zügen genossen. Mit Leichtigkeit hat sie die Fremdsprachen gelernt. Sie hat das Dolmetscherdiplom für Französisch, Englisch und Spanisch gemacht und wurde häufig für Simultanübersetzungen engagiert.
Anfangs der Sechzigerjahre gab sie ihre Wanderjahre auf und nahm eine Stelle als Sekretärin und Assistentin bei General Electric in Zürich an. 1973 erwachte die Unternehmerin in Mirjam Bertsch. Sie übernahm die elterliche Teigwarenfabrik. Leider musste sie aber erkennen, dass die Zeit der kleinen Teigwarenfabriken vorbei war und schloss die Fabrik, nicht ohne sich dabei vorbildlich und verantwortungsvoll für die Mitarbeiter zu engagieren.
Mirjam Bertsch blieb Unternehmerin und stieg in die Astrologie ein. Am Rennweg 29 hat sie ein Beratungsstudio aufgebaut. Während über 35 Jahren hat sie unzählige Personen in wichtigen Lebensfragen beraten. Es gelang ihr hervorragend, anhand von Sternenbildern die Lebenssituationen von Klienten und Klientinnen einfach und anschaulich zu erklären. Vielen treuen Schülerinnen und Schülern hat sie in Kursen die Astrologie näher gebracht.
Vor etwa zwei Jahren begannen sich die Spätfolgen der Kinderlähmung bemerkbar zu machen und erschwerten ihr das Gehen immer mehr. Trotzdem war sie oft anzutreffen, bei den Anlässen des Rennweg-Quartier-Vereins, beim morgendlichen Kaffee im «Picnic», wo sie zeitungslesend interessiert die Geschehnisse auf dem Laufsteg «Augustinergasse» verfolgte.
Am 2. Dezember ist Mirjam Bertsch im Kantonsspital in Münsterlingen gestorben.
Sie wird uns allen strahlend, herzlich, liebenswürdig, interessiert, weltoffen und kämpferisch in Erinnerung bleiben.

Madeleine Bächler