Biotop der Herzen

Die Herzbaracke, das schwimmende Theater, hat dieses Jahr zum zehnten Mal am Bellevue angelegt.

Federico Emanuel Pfaffen wohnt seit 23 Jahren im Dorf. Er empfindet es immer noch als grosses Geschenk, hier leben zu können. Hier an der Schienhutgasse, dem Weg zur Uni und ETH, geht täglich «der Geist», ein bunter Strom Studierender, an ihm vorbei. Nachts habe er immer wieder spezielle Begegnungen. Sich laut aufhaltenden Jugendlichen bringt er einen Krug Tee hinunter; dies helfe, erhitzte Gemüter zu be­ruhigen, erzählt er. Federico Pfaffen ist Vater von zwei wunderbaren Kindern, wie er sagt, Anna und Tizian, die eine wunderbare Mutter haben. Der tägliche und intensive Kontakt mit den verschiedensten Menschen macht ihn offen für ein konstruktives Miteinander im Alltag. An seiner Wohnung, seinem Rückzugsort, schätzt er nebst den knarrenden Holzböden – eine Kindheitserinnerung – seine heimlichen Mitbewohner. Dass die verwinkelten Räume auch von Geistern gerne genutzt ­werden, das sei unheimlich inspi­rierend.
Doch wie ist der Bündnerdialekt mit dem Pfaffen zusammen gekommen? Lachend bestätigt er, dass Pfaffen zwar ein typischer Walliser Familienname sei und schiebt auch gleich eine Kostprobe in «Walliserdiitsch» nach. Er sei jedoch in Chur aufgewachsen und zudem sei seine Mutter Tessinerin. Drei Kantone, drei «Sprachen», das sei doch echt multikulturell.
Früher habe er das Nachtleben natürlich ganz intensiv genossen. In der «Malatesta», ja das sei wirklich schade, dass es die nicht mehr gebe. Das war unsere Bohemien, sagt er. Heute, wenn er unterwegs sei in die Stadt, dann mache er immer schnell im Café «Marion» Halt, weil die Stimmung dort so altmodisch und wohlwollend sei. Neu entdeckt habe er das Schober, das jetzt ja Péclard heisse, und wo er sich «im Salon» gerne Zeitungen und heisse Schokolade gönne. Natürlich treffe man ihn auch im «Odeon» oder im «Felix», wenn er mit der Herzbaracke am ­Bellevue sei.

Erfüllter Kindheitstraum
Wir kam es denn zur Idee und Umsetzung der Herzbaracke? «Seit Kind haben mich das Drama, die Romantik und rauschende Roben fasziniert», verrät er mit einem Funkeln in den Augen. So sei die Herzbara-­cke wohl ein erfüllter Kindheits­traum, ein Ort, an dem es ihm selbst innig gefalle und somit die Umsetzung von tiefsten, wahren romantischen Ideen. Es sei ein Spagat zwischen Genauigkeit und Fantasie, ­verbunden mit der Treue zu Künstlern und Gästen, zu guten Materialen und Handwerk. Diese Fülle und die Liebe zum Detail ist bestimmt
ein wichtiger Faktor, den die Be­sucher schätzen, nebst dem Programm, das bunter und vielfältiger nicht sein könnte. Entgegen der Meinung, dass nur Massengeschmack die Leute erreicht, überzeugt uns ­Federico Pfaffen, dass sein Publikum sehr wohl hoch stehende Kleinkunst zu schätzen weiss. Das Programm entstehe in diesem Biotop wie von selbst. Er zeige grundsätzlich nur das, was ihm gefalle und ihn berühre. Die Wahl sei ein Prozedere, eine Investition beiderseits ins Proben und Probieren. Nicht alles was gut sei, funktioniere auf dieser Bühne
in diesem Rahmen.

Attraktives Programm
Wenn ich das Programm auf der Hompage (www.herzbaracke.ch) studiere bin ich versucht, mich nach einer Dauerkarte zu erkundigen. Denn exakt in dieser dunklen Jahreszeit braucht der Mensch wohltuende Unterhaltung. Mich zu entscheiden scheint mir fast unmöglich. Von der humoristischen Lebenshilfe unter dem Titel «Männer sind anders – Frauen auch!» über musikalische Highlights wie «Gschwellti», die heisse schweizerische Band «in ­flagranti» über eine musikalische Reise von Indien nach Spanien bis hin zu Jazz und den ihren Traummann suchenden «Velvet Cats» ist ­alles möglich. Erwähnenswert ist ­zudem der kulinarische Beitrag, der täglich frisch geleistet wird. Alte Rezepte wie aus Omas Sonntagsküche beginnen zum Beispiel mit einer «Muss oh! Tomate». Der Schwedenbraten à la Pfaffen kommt mit mundigem Safran daher und die Krönung findet sich im Dessert.
Wenn auch Sie in eine andere Welt abtauchen und sich amüsieren und entspannen möchten, dann kann ich Ihnen die «schaukelnden Gaukler» wärmstens empfehlen.

Therese Kramarz

Die Herzbaracke ist vom 29. Oktober bis 15. März in Zürich am Bellevue. Reservationen und Kontakt: herzblut@herzbaracke.ch und Tel. 044 380 53 80.


Federico E. Pfaffen
Der freie (ohne Subventionen) ­experimentierfreudige Theaterschaffende, Künstler und Regisseur beeindruckt mit ungewöhnlichen Produktionen. Mit der schwimmenden «Herzbaracke» hat Federico Emanuel Pfaffen seit 1999 sein eigenes Theater-Schiff.
Der Tausendsassa gewinnt die Herzen mit seinem Optimismus, seiner Freundlichkeit, der Lebensfreude und seinem Tatendrang.