Werkstattbesuch mit dem GZ Altstadthaus

Der letzte Werkstattbesuch mit dem GZ Altstadthaus führte in eine Kristallhöhle. Weit war die Reise allerdings nicht, sie führte an die Schipfe.

Als Siebenjähriger kam Vladimir Pusec von der Tschechoslowakei in die Schweiz, das war 1968. Er bekam ein Globibuch in die Hände, in dem Globi Kristalle findet. Als ihm ein Freund einen Bergkristall schenkte, war dies «der Stein des Anstosses». Der Erzähler zieht seine Gäste sogleich in seinen Bann. Als Fünftklässler beschloss er, er wolle «Mineralien studieren». Er machte die Matur und begann mit dem Studium der Geologie an der ETH. Nach sechs Semestern bot sich ihm die Gelegenheit, die Mineralienabteilung im Heimatwerk zu übernehmen, und er griff zu. Nach zehn Jahren wurde diese Abteilung aufgegeben. Von der städtischen Liegenschaftenverwaltung erhielt er darauf das Lokal an der Schipfe 31, wo er seine «Kristall-Höhle» einrichtete. Das war vor elf Jahren.
Weil die Mineralien sich nur mässig gut verkaufen lassen, bietet er in seinem Laden auch Schmuck an, der mehr Umsatz bringt. Silberschmuck mit Natur-, Halb- und Edelsteinen, präsentiert in schönen Vitrinen: Fingerringe, Halsschmuck, Armbänder und Ohrschmuck lassen sich hier finden.
Die Kristalle bleiben seine Leidenschaft. Am liebsten sei er in den Bergen, auf der Suche nach Funden. Auf diese Weise verbringt er denn auch mit Vorliebe seine Freizeit und seine Ferien. «Ich bin ständig unterwegs, irgendwo am Rumgrübeln.» Irgendwo in den Alpen campierend, und in aller Frühe rauf zu den Kristallen. Diese liegen ja nicht so schön am Wegrand bereit zum Aufheben, sondern sind meistens von Felsmasse umschlossen. Doch wie erkennt man ein solches Vorkommen? «Das ist die Nase, es ist angeboren», sagt Vladimir überzeugend und verschweigt bescheiden seine grosse Vorbildung und Erfahrung, die ihm beim Aufspüren helfen. Ein Patent besitzt er zurzeit am Oberalppass. Das bedeutet, dass die entsprechende Stelle für ein Jahr und einen Tag durch ihn belegt ist. Wenn es die Zeit erlaubt, etwa in den Sommerferien, lassen er und sein Begleiter per Helikopter einige hundert Kilo Material und Lebensmittel auf knapp 3000 Meter Höhe transportieren: Zelte, Kochutensilien, Werkzeug etc. Wenn Vladimir dann loslegt, würde er am liebsten Tag und Nacht durcharbeiten. Er vergisst dabei alles andere, auch das Essen, sodass die beiden am Schluss jeweils einiges an Proviant wieder runter nehmen.
Die Kristalle wachsen, entstehen bei hohen Temperaturen und unter grossem Druck über Millionen von Jahren. Hat Vladimir eine Höhle mit Kristallen drin geöffnet, ist das für ihn ein unbeschreibliches Erlebnis. Nach all der Zeit ist er der erste Mensch, der das zu Gesicht bekommt. Wobei dann die Arbeit erst beginnt. Oft präsentieren sich die Funde zunächst als Lehmklumpen, die gereinigt werden müssen. Er lässt ein solches Exemplar durch die Runde gehen, bittet darum, immer die eine Hand darunter zu halten, zur Sicherheit. Er ist Experte, kann von jedem Stein aus der Schweiz die Herkunft bestimmen: «Ein Stein ist wie ein Fingerabdruck von seinem Tal.»
Zur Demonstration, was in unscheinbaren Steinen verborgen sein kann, sägt er eine Geode auf, eine faustgrosse Kugel, ein Amethist aus Brasilien, und mit einem Mal gibt der plumpe Brocken den Blick frei in sein glitzerndes Inneres.
Seine Kundschaft reicht vom kleinen Kind, das einige kleine Splitter kauft, bis zur Grossbank, die ein prächtiges Exemplar von einem Kristall auf einem Sockel mit Messingschild ersteht.
Ein Hobby von Vladimir ist, wenn er mal nicht am Kristallsuchen ist: Gold suchen. In Australien. Bereits im Jahr 1986 hat er in Disentis an sieben Wochenenden insgesamt ein Viertel Kilo Gold gefunden. Inzwischen ist es dort nicht mehr so einfach mit dem Goldwaschen. Seine Funde behält er am liebsten für sich. Für ein sieben Gramm schweres prächtiges Goldnugget hat ihm jemand einmal 10 000 Franken geboten. Er konnte sich nicht davon trennen. Stolz präsentiert er es seinen Gästen.

Elmar Melliger