Wo der Käse laufen lernt

Unsere Kulinarier sind auf den (Käse-)Geschmack gekommen und waren zu Gast in der «Raclette Stube» an der Zähringerstrasse 16.

Die Zähringerstrasse verdankt ihren Namen Herzog Berchtold V. von Zähringen, Inhaber der Reichsvogtei Zürich, der Ende des 12. Jahrhunderts das Spital «Zum heiligen Geist» an der Spitalgasse stiftete. Jeder Patient hatte pro Tag einen Liter Rotwein zugut. Ob er danach gesünder war, ist nicht überliefert. Jedenfalls waren Herr Ammann und ich etwas massvoller und begannen unseren Besuch in der «Raclette Stube» ungefähr in der Mitte der Zähringerstrasse mit wenigen Dezilitern mundigem Epesses AOC, der selbst in kleinsten Mengen im Kühler serviert wird (dl zu Fr. 5.20).

Käse
Käse beherrscht das Lokal. Auf der Karte finden sich Fondue fribourgeoise mit Brot und Kartoffeln «moitié-moitié» oder «pure vacherin» (Fr. 25.80 pro Person) oder Fondue Valaisanne mit Tomaten (Fr. 29.50) oder eben Raclettes à discretion mit Kartoffeln, Cornichons, Perlzwiebeln und Maiskölbchen (Fr. 35.80), auf Wunsch sind auch Einzelportionen erhältlich (Fr. 12.80).
Um exakt zu sein: Es gibt auch noch leckere Vorspeisen ohne Käse, zum Beispiel einen gemischten Saisonsalat, der wirklich frisch aussah (beim Nachbarn) und nebst Walliser Trockenfleisch auch Waadtländer Saucisson, fein aufgeschnitten (Fr. 13.50). Damit begann unser Mahl. Köstlich war die Wurst und ich glaube, dass sich selten ein Teller so schnell geleert hat. Allgegenwärtig sind die Cornichons und die Perlzwiebeln, die mir Herr Ammann grosszügig überliess. Der besagte Herr entschied sich für die Fortsetzung aus Neugier für ein Fondue Valaisanne, richtig, das mit Tomaten, und war absolut zufrieden, die Tomaten waren sehr diskret eingerührt, ich kann es bestätigen, da ich meine normale Gabel oft auch in Herrn Ammanns Caquelon eintauchte. Jedoch, auf meinem Tellerchen erschien die erste Portion Raclette, gekonnt vom grossen Käselaib abgestrichen, wieder mit allen Zutaten. Richtig in der Grösse und bestens in der Qualität. Nichts fehlte zum Glück, ausser dass Herr Ammann keinen Epesses mehr fand. Ich wechselte, um das Gleichgewicht in jeder Hinsicht zu wahren, auf Dôle (dl zu Fr. 5.20), der mir auch gut gefiel. Wie überhaupt es nicht mehr abwegig ist, zu Fondue oder Raclette Rotwein zu trinken.

Die gute Stube
Fünfundvierzig Plätze gibt es an den kleineren und grösseren Tischen, wobei vorne geraucht werden darf und hinten lieber nicht, da sonst das Buffet eingenebelt wird. Für Herrn Ammann, der aufgehört hat zu rauchen (viele Male schon), wurde hinten für eine Zigi eine Ausnahme gemacht. Die Zigarette stammte denn auch von der netten Bedienung Judith. Die zweite nette Dame heisst Giselle Calmes und ist seit vier Jahren Geschäftsführerin und versteht wahrlich ihr Geschäft.
Ihr Einsatz ist gross, denn im Winter ist das Lokal meistens ausverkauft, ihr Wunsch wäre denn auch, dass die Leute, die im Winter keinen Platz kriegen, im Sommer kämen.
Das Publikum ist sehr gemischt vom Stammgast bis zu asiatischen Touristen. Unikate sind die Bilder hinten im Lokal beim runden Tisch, sind doch die Vorbilder allesamt Plakate der ehemaligen Käsunion. Auch auf der Abdeckung im Bogenfenster, durch das man nur in einen schäbigen Hinterhof sehen würde, grüssen gemalte Käseblumen. So war auch die Idee geboren, diese Blumen in Keramik herstellen zu lassen, um damit das Gitter, das das Lokal unterteilt, zu verzieren. Die Keramik stammt aus Italien.
Der Mann mit dieser Idee heisst Peter Ernst und führt seit elf Jahren zusammen mit seiner Frau Denise die «Raclette Stube» und noch zwei weitere Lokale mit Käse, nämlich die «Chässtube Rehalp» und das «Fribourger Fondue-Stübli». Man versteht etwas von Käse, was die beiden Raclettestubenhocker Ammann und Keck bestätigen können.

Peter Keck*


Restaurant «Raclette Stube», Zähringerstrasse 16, 8001 Zürich. Tel. 044 251 41 30, offen täglich ab 17.30 Uhr.

*Peter Keck und René Ammann essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Keck, dann wieder Herr Ammann.