Emotionsgeladener Anlass

Am 22. November fand im Zentrum Karl der Grosse die Veranstaltung betreffend Zukunft des GZ Altstadthaus statt. Der Saal war gerammelt voll und die Emotionen gingen hoch.

Die Parteien trennten sich ohne grosse Annäherung der Positionen. Nachfolgend ist der Verlauf der Diskussion nachgezeichnet.

Es war keine leichte Aufgabe für Heinrich Nufer, der den Anlass (ehrenamtlich) moderierte. Er hatte für einen geordneten Ablauf zu sorgen, dafür, dass möglichst viele zu Wort kamen an dieser von ihm «Chropfleerete» genannten Aussprache. Nicht einfach war es auch für die Vertreter des Sozialdepartements, die den unpopulären Entscheid, die Betriebsmittel von 200 000 Franken zu streichen (der Altstadt Kurier hat darüber berichtet) auf dem Podium zu vertreten hatten. Es waren dies Urs Leibundgut, Departementsekretär, Anita Bernhard, Leiterin Kontraktmanagement, und Martin Heyer, beim Kontraktmanagement zuständig für die Verträge mit dem GZ Altstadthaus. Am schwersten jedoch war es zweifellos für die 130 Personen, die den Saal des «Karli» füllten: Sie waren gekommen, weil ihnen etwas Wichtiges und Liebgewonnenes weggenommen werden soll.

«Benutzerkreis zu klein»
Heinrich Nufer nannte in seinem Eingangsvotum das GZ Altstadthaus eine «soziokulturelle Schutzinsel im Event-Zentrum», die wichtig sei zur Identitätsfindung. Diese soziokulturell präventiv wirkenden Aktivitäten schafften Netze. Zudem sei das GZ ein wichtiger Kindertreff. Michael Schädelin, Präsident des Herausgebervereins Altstadt Kurier, fasste kurz zusammen, was bisher geschah. Seit dem Erscheinen des Mediencommuniqués vom 2. Oktober, in dem die Streichung der Betriebsbeiträge für das Altstadthaus bekannt gegeben wurde, haben sich die Vertretungen von Institutionen zusammengesetzt, wurde eine Petition lanciert, fand ein Gespräch mit Stadträtin Monika Stocker im kleinen Rahmen statt und in etwas grösserem mit den drei obig erwähnten Vertretern des Sozialdepartements. Insgesamt habe sich beim Sozialdepartement wenig bewegt, ausser dem Angebot, die Angebotsüberprüfung in einem partizipativen Prozess, unter Einbezug des Quartiers, anzugehen.
Urs Leibundgut stellte klar, dass dazu das GZ bis Ende 2008 unverändert bestehen bleiben soll und nicht wie ursprünglich mitgeteilt bis im Frühjahr 2008. (Der Kontrakt läuft bis Ende 2008.) Er sagte, das GZ-Konzept sei für die Altstadt nicht die richtige Lösung, und man müsse die plafonierten Mittel in der Soziokultur gesamtstädtisch angemessen verteilen. Bis Ende nächsten Jahres also sollte eine tragfähige Lösung zu finden sein.
Anita Bernhard erklärte, dass das GZ über einen zu kleinen Benutzerkreis verfüge, und dass Versuche, diesen auszuweiten, gescheitert seien, dafür sei das Quartier einfach zu klein.
Beim Vergleich des GZ Altstadthaus mit dem GZ Hottingen und dem Quartiertreff Enge stellte sie die Kosten insgesamt sowie pro Quartierbewohner einander gegenüber. Was im Saal sogleich grimmige Einwände auslöste. Denn das GZ Hottingen etwa verfügt über einen Saal für Veranstaltungen, während der grösste Raum im Altstadthaus vierzig Personen fasst und daher bei Vollauslastung nie die gleichen Besucherzahlen erzielt werden können. (Deshalb musste ja auch diese Veranstaltung in den «Karli» verlegt werden.) Und bei der Quartierbevölkerung wurde der Kreis 1 links der Limmat weggelassen, was die Pro-Kopf-Kosten erhöht. Anita Bernhard führte weiter aus, man werde den Aufbau von Kinderangeboten unterstützen, bis sie selber tragfähig seien.

Entscheid «unverständlich»
Der Quartiervereinspräsident Martin Brogli hielt fest, dass das GZ für das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem von Zentrumslasten bedrängten Quartier wichtig sei. Zudem bestehe in Zürich zurzeit kein Spardruck, weshalb diese Sparübung nicht zu verstehen sei. Das Team des GZ leiste professionelle Arbeit, es unterstütze das Quartier tatkräftig, eben auch draussen, nicht nur im Haus. Das alles sei nicht im Nebenamt machbar. Als Vertreterin des Einwohnervereins links der Limmat sass Christine Schmuki auf dem Podium. Sie betonte die Wichtigkeit der Vernetzung mit dem Quartier rechts der Limmat und wertete die bisher entrichteten Beiträge als sehr gut eingesetzten Betrag. Regine Helbling sprach für den Elternverein. Ebenso wie umliegende Kantone und Gemeinden an die Zentrumslasten der Stadt Zürich zahlen, soll die Stadt an die Altstadt zahlen, die diese Lasten zu einem grossen Teil trage, forderte sie. Für Kinder sei das GZ die einzige Anlaufstelle im Quartier. Michael Schädelin präsentierte Zahlen, die das GZ Altstadthaus nicht als teuer, sondern als ausgesprochen günstig erscheinen lassen. Und führte aus, dass es hier elf Arbeitsplätze pro Einwohner gebe, sodass die Bevölkerung tagsüber eine Minderheit darstelle, nachts erst recht, weshalb ein solches Zentrum umso wichtiger sei, und sagte, dass es um die folgende Frage gehe: «Wie erhalten wir den Kreis 1 als Wohnquartier?» In der städtischen Politik seien Bemühungen in dieser Richtung überall erkennbar, weshalb der vorliegende Entscheid umso unverständlicher sei. «Eine Minderheit braucht eine Identität.»
Urs Leibundgut stellte klar, dass die offene Nutzung des Hauses nie in Frage gestellt worden sei, und dass die Kinderbetreuung ebenso weiterlaufen müsse. Die Differenzen bestünden anderswo. Martin Brogli warf ein, dass es ja ein sehr kleines Häuschen sei, und man könne ja mal über ein grösseres Haus reden. Und dass bereits jetzt sehr viel ehrenamtliche Arbeit geleistet werde im Quartier und es professionelle Unterstützung einfach brauche. Anita Bernhard erklärte, Aufgabe der Soziokultur sei es, dass Profis die Leute animieren, es selber zu machen. Urs Leibundgut sicherte zu, dass es weiterhin Angebote geben soll, im Unterschied zum ursprünglich kommunizierten Entscheid. Nur müssten zuerst die Leistungen definiert werden, bevor man über Summen reden könne. Dass es ein Kinderangebot brauche, sei klar, das sei auch ein Schwerpunkt städtischer Politik. Auf die Frage, was Soziokultur überhaupt sei, antwortete Martin Heyer unter anderem: Soziokultur bringe Bevölkerungsgruppen in Kontakt. In der Altstadt lebe eine starke homogene Gruppe. Die Aufgabe eines GZ sei jedoch, Gruppen zu öffnen für Neue, eine Piazza-Funktion.

Emotionale Diskussion
In der folgenden Diskussion im Plenum gab es viele Wortmeldungen, die sich engagiert einsetzten für das GZ Altstadthaus. «Was wollt ihr denn eigentlich?», verlangten mehrere Personen Auskunft. Anita Bernhard lud ein, gemeinsam ein anderes Konzept zu erarbeiten, denn «wir wissen nicht, was Sie brauchen». Zwischenruf: «Sagen wir ja!» Jemand sprach dem Vorhaben, ein bestens funktionierendes Kinderangebot neu aufbauen zu wollen, jeden Sinn ab. Urs Leibundgut versicherte, dass auch bereits laufende funktionierende Angebote weiter unterstützt werden könnten. Worauf Martin Heyer anfügte, dass andererseits Soziokultur bedeute, «Projekte zu initiieren und dann eventuell punktuelle Begleitung zu bieten». Da platzte jemandem der Kragen: Diese widersprüchlichen Botschaften machten sie wütend und da sei kein Vertrauen möglich, rief die Frau.
Michael Schädelin nannte das GZ Altstadthaus ein Erfolgsmodell. Es sei paradox: «Wir brauchen das Altstadthaus gerade weil wir eine kleine Minderheit sind!» Andrea Sprecher, Kantonsrätin, fragte, ob man sich bewusst sei, dass ein neues Konzept eventuell mehr koste. Worauf Urs Leibundgut antwortete, dass auch in anderen Quartieren nicht sämtliche Bedürfnisse abgedeckt seien. Christine Schmuki warf ein, dass bereits im März 2006 eine Bedürfnisabklärung stattgefunden habe, und fragte: «In welchen Abständen wollen Sie das von uns?» Jemand befürchtete, dass durch eine Sparübung viel bereits Bestehendes, gut Funktionierendes zusammenbrechen könnte, und dass der Wiederaufbau teuer zu stehen kommen würde. Eine Frau schloss ihr engagiertes Votum für das Altstadthaus mit der Aussage: «Wir wollen nicht etwas anderes suchen müssen!» Sabine Ziegler, Kantonsrätin, forderte, diese soziokulturelle Sparübung abzubrechen, sonst hätte man noch andere, politische Mittel.
Michael Schädelin legte noch einmal die Bedeutung des GZ Altstadthaus als Multiplikator, als Modellfall für gelebte Soziokultur dar, dass man als Minderheit dieses dringend brauche und dass es für das Schaffen von Identität wichtig sei. Martin Brogli gab bekannt, dass bereits über 1600 Personen die Petition zur Erhaltung des GZ Altstadthaus unterschrieben hätten.
Nach 22 Uhr wurde die lebhafte Diskussion programmgemäss beendet, obwohl viele noch nicht zu Wort gekommen waren. Die Positionen waren bezogen, eine grosse Annäherung hat nicht stattgefunden. Die Frage «Wie weiter mit dem GZ Altstadthaus?» konnte an diesem Abend jedenfalls nicht beantwortet werden.

Elmar Melliger