Mein Herz ist so voll...

Wie der Stadtwanderer vor lauter Schreiben und Lesen zum Buchhändler würde.

Lieber Strandläufer

Ja, mein lieber Strandläufer, mein Hirn ist leer und mein Bauch ist voll. Also schreibe ich dir einen Nach-dem-Essen-Brief, eine Nachricht aus jenem Land, wo man sich nicht zu erheben braucht. Gelassen nehme ich noch einen Calvados.
Also: Es war einmal ein Schreiber, der war auch ein Leser, denn nur wer liest, kann auch schreiben. Unter Dichtern heisst das: Aus Büchern macht man Bücher oder so funktioniert die Geisteswissenschaft. Da der besagte Schreiber übers Bauen und Ähnliches schrieb, brauchte er ein Wasserloch, genauer eine Buchhandlung. Er ging zu Krauthammer, am Predigerplatz zuerst, dann an die Obere Zäune. Robert Krauti hatte, was er brauchte und überraschte ihn jedes Mal mit Sonderheiten. Aber nichts besteht im Leben und Krauthammer verkaufte seinen Laden dem unersättlichen Orell Füssli, genannt OF, was mit Ohne Feuer zu übersetzen ist, ein simples Buchgeschäft, warum es nicht Schuhe sind, die sie verkaufen, weiss dort niemand. OF eröffnete im einstigen Racher an der Marktgasse eine Bücherboutique, wo man das Geschenkbuch kaufen kann, das die Gastgeberin nie liest. Entdeckungen sind leider bei OF ausgeschlossen und ein Taschenmocken mehr macht keinen Schreiber froh.
Wenn dir die Buchhandlung abhanden kommt, gründe selber eine, sagte sich der Schreiber und ging über Jahre schwanger mit dieser Sehnsucht. Dann aber, so im letzten Januar, lichteten sich die Wolken, er traf einen Buchhändler in Bern, Hanspeter Vogt mit Namen, der mit dem Schreiber zusammenspannte und seine Architekturbuchhandlung von Bern nach Zürich zügelte, weil es dort mehr von Schreibers Sorte hat. Der neue Laden heisst «Hochparterre Bücher» und mein Herz ist so voll, lieber Strandläufer, dass mir der Mund übergeht und
ich dir das hier berichten muss. Einen Schönheitsfehler hat die Sache allerdings, sie findet nicht im Eis, sondern in Füfi statt. An der Gasometerstrasse 28, was grad beim Limmatplatz umenand ist. Ich hoffe, dich dort einmal anzutreffen.
Jetzt erhebe ich mich doch und löse Wasser und lasse einen Wind fahren, denn der Wohlgenährte hat nicht nur geistige Bedürfnisse, sondern auch leibliche.

Mit Lesergruss
dein Stadtwanderer