Adieu Walter Steiger

Er wird nie mehr durch die Oberdorfstrasse stapfen, trittfest in seinen wie angewachsenen schweren Bergschuhen.

Er wird nie mehr im Hauseingang gegenüber dem Coop ein Bier trinken. Begegnete man ihm in aller Herrgottsfrühe auf dem Weg zum Bahnhof Stadelhofen, zog es ihn bestimmt in die geliebten «Höger», und es würde ein guter Tag werden. Walti Steiger lebte zwar seit Jahrzehnten in Zürich, aufgewachsenen war er aber im Prättigau. Eine Kindheit wie aus dem Bilderbuch muss es gewesen sein, vor allem in den so genannten Geissenferien, wenn er mit siebzig Ziegen und zwei Hunden auf der Alp übersommerte, wobei der Barry Fourierdienste leistete; er konnte ihn mit dem Einkaufszettel am Halsband losschicken. Im Winter montierte er die Schuhe fest auf den Fassdauben, für die acht Kilometer Schulweg. – Ein Heimwehbündner war er nicht, aber ein Naturbursche, kein Hallodri, kein Schnörri. Obwohl, manches, was er erzählte, war vage und ungesichert. Lastwagenchauffeur sei er gewesen, erzählte er manchmal, während zwanzig Jahren im In- und Ausland auf Achse. Einem Bekannten versprach er, mit ihm das Matterhorn zu erklimmen, er sei schliesslich Bergführer – die Tour kam nie zustande.
Walti war ein Einzelgänger, Angehörige hatte er keine, und er war im Quartier wohl gelitten. 1993 verschlug es ihn in die Herberge zur Heimat, wo er einst als Elektro-Stift Hausinstallationen gemacht hatte.
Seine letzte Adresse im Oberdorf war als Provisorium gedacht, doch daraus wurde lebenslänglich und viel zu kurz, er ist mit 59 gestorben, an Krebs.

Esther Scheidegger Zbinden