Noch etliche offene Fragen

Das kürzlich publizierte Verkehrskonzept Innenstadt wird breit diskutiert und hat zu teils heftigen Reaktionen geführt. Insbesondere die Ausweitung der Fussgängerzonen und die Frage zusätzlichen Veloverkehrs in der Altstadt scheint viele zu beschäftigen.

Etwas erstaunt hätte ihn das Ausmass und die Heftigkeit der Reaktionen schon, erklärte Projektleiter Erich Willi auf Anfrage. Beim Verkehrskonzept geht es um eine planerische Leitvorstellung, wie sich die Innenstadt sich in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren zu entwickeln habe. Immerhin ist das Konzept vom Stadtrat verabschiedet. Das heisst, wann immer ein Bauvorhaben ansteht, wird man dieses Konzept beiziehen und bei der Umsetzung berücksichtigen. Wenn etwa das Parkhaus Urania erweitert werden sollte, dann würde man den Zähringerplatz von den Parkplätzen befreien und zu einer Fussgängerzone machen. Worüber nicht alle gleich glücklich wären, doch so will es der Historische Kompromiss und so steht es im Konzept.

Thema Velo beschäftigt
Von den vier Teilkonzepten Koexistenz, Velo, Parkierung sowie Anlieferung und Taxi hat wohl das Thema Velo am meisten beschäftigt. Dass man in der Altstadt als zu Fuss Gehende nirgends mehr sicher sei, wird da und dort befürchtet. In der Tat flitzen mancherorts heute schon Velos herum, wo man das eigentlich nicht unbedingt erwarten würde. Gegenwärtig gibt es in der Altstadt rechts der Limmat drei Durchfahrtsrouten, nämlich Neumarkt-Rindermarkt-Marktgasse, sodann die Kirchgasse und schliesslich die Torgasse. Im Übrigen ist das Velofahren in der Fussgängerzone eigentlich nur Anwohnenden zu ihrem Haus gestattet. Das erklärt nicht die vielen Fahrräder, die in der Altstadt herumkurven. Effektiv beklagen nicht nur Altstadtbewohner, sondern auch die Polizei eine Verwilderung beim Veloverkehr. Auf jedem Trottoir wird gefahren, selbst wenn die Strasse eine fast verkehrsfreie ist wie das Limmatquai. Hat man kapituliert, indem nun die Altstadt quasi freigegeben wird für den Veloverkehr?
Wie Erich Willi erklärte, will man die Altstadt nicht durchgehend öffnen, sondern denkt dabei eher an eine Stich-Erschliessung. Die Strehlgasse oder die Niederdorfstrasse etwa soll nicht freigegeben werden, weil sich hier viel zu viele zu Fuss Gehende aufhalten. Man will darüber hinaus mit der Zeit die Veloroute über die Kirchgasse auf die Rämistrasse verlegen, falls es gelingt, dort Velostreifen anzulegen. Die Frage bleibt, ob man die Schleuse, die man öffnet, später noch regulieren kann. Ob dann irgendjemand sich von einem Verbotsschild etwa an der Niederdorfstrasse beeindrucken lässt. Für Willi ist klar, dass Schritttempo gefahren werden muss und ansonsten gebüsst werden soll.

Kleine Umfrage
Doch wie sehen das Exponenten aus der Altstadt? Für Madeleine Bächler, Präsidentin des Rennweg-Quartier-Vereins, bleibt mit dem neuen Konzept vieles unklar und vage. Sie befürchtet, dass es in der Uraniastrasse mit Gegenverkehr eng werden wird. Zu der vorgeschlagenen Koexistenz verschiedener Verkehrsmittel empfiehlt sie, eine tolerante Haltung einzunehmen. Wobei das eine gegenseitige Toleranz aller Beteiligten bedeute. Sie persönlich habe nichts gegen Velo Fahrende, das sei fast wie zu Fuss gehen, mache keinen Lärm und keinen Gestank. In der Altstadt links der Limmat führe das selten zu Problemen.
Christine Schmuki vom Vorstand des Einwohnervereins Altstadt links der Limmat ist grundsätzlich für mehr Fussgängerzonen, hat aber mit Begegnungszonen Mühe. Am Rennweg oder in der Kuttelgasse könne man ohnehin nur am Samstag auf der Strasse gehen, wenn es sehr viele Fussgänger habe, ansonsten sei man an den Rand gedrängt. Mit Velos im Speziellen habe sie keine Probleme, eben weil man sich zu Fuss ohnehin am Rand bewegen müsse. Die schmalen und steilen Gassen sollten für Velos gesperrt bleiben.
Für Angelo Pfister, Co-Präsident der Geschäftsvereinigung Limmatquai/ Dörfli, ist das Ganze noch vage. Er fordert, dass eine Aufwertung nicht nur für Fussgänger und Velofahrer zu erfolgen habe, sondern dass ebenso der öffentliche und der private motorisierte Verkehr berücksichtigt werden müsse. Es brauche eine Gesamtschau. Von «kilometerlangen Fussgängerzonen» hält er nichts, weil viele dann ihre Einkäufe in den umliegenden Einkaufszentren tätigten und die Innenstadt mieden.
Betreffend Velos habe er ein Problem mit gewissen Leuten, die keinen Anstand hätten, egal, ob sie nun auf dem Velo oder im Auto sitzen. Es brauche deswegen Regeln, weil mehr Freiheit auch mehr Verantwortung bedeute, die jedoch nicht wahrgenommen werde. Er findet das heute geltende Regime noch vertretbar und würde das so belassen, keine weiteren Öffnungen der Altstadt für Velos zulassen. Bezüglich Mischung von Fussgängerzone und Veloverkehr sei er skeptisch.
Martin Brogli, Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, hält den Anspruch, mit dem Velo quer durch die Altstadt zu fahren, für nicht berechtigt und freie Fahrt für Velos für problematisch; die heutigen Velorouten genügten. Die Aufhebung der Parkplätze auf dem Zähringerplatz sei ebenfalls nicht unproblematisch. Wenn schon müsse das unter Einbezug der Bevölkerung entschieden werden, und es brauche ein Konzept für den Platz, damit nicht neue Lärmquellen etc. entstünden. Die Planer kennen die Verhältnisse vor Ort zu wenig. Als Beispiel nannte Brogli die Pfosten am Zähringer- und Predigerplatz, die von der Bevölkerung gefordert wurden und um die heute alle froh seien.
Deshalb verlange er den Einbezug namentlich des Quartiervereins, wie er dies bereits per Mail Stadträtin Ruth Genner dargelegt habe. Auch sei bei anstehenden Veränderungen ans Gewerbe zu denken, welches insbesondere auf Zufahrt und Parkiermöglichkeiten angewiesen sei.
Das Verkehrskonzept ist publiziert (im Internet zu finden unter www.stadt-zuerich.ch / tiefbauamt; eine Broschüre ist erhältlich beim Tiefbauamt, Tel. 044 412 27 22) – und wird wohl auch weiterhin noch einiges zu reden geben.

Elmar Melliger

Am 5. Mai um 20 Uhr ist in der Lebewohlfabrik im Seefeld eine kontradiktorische Veranstaltung geplant. Genauere Angaben folgen.