Es gibt Leben im Dada-Haus

Seit der Eröffnung vor anderthalb Jahren sind einige Unentwegte dabei, dem Cabaret Voltaire nachhaltig Leben einzuhauchen. Der Betrieb umfasst Ausstellungen, Veranstaltungen und ein charmantes Café. Ein Augenschein.

Am 5. Februar war es neunzig Jahre her, seit an der Spiegelgasse 1 in der Zürcher Altstadt das Cabaret Voltaire gegründet worden war. Vor anderthalb Jahren war es wiederum so weit. Abermals wurde das Cabaret Voltaire aus der Taufe gehoben. Davor waren die Räume jahrzehntelang als Disco genutzt worden, im «Castel-Pub» haben Generationen von Tanzlustigen auf dem Parkett gezappelt und gezuckt. Als der Nachmieter auszog und der Einzug einer Apotheke drohte, wurde das Haus besetzt von jungen Leuten, die ein Dada-Haus forderten. – Schliesslich, das Resultat: Die Stadt Zürich übernimmt für vier Betriebsjahre die Miete, Swatch als Hauptsponsor die Betriebskosten des neu eröffneten Dada-Hauses, genannt wie weiland: Cabaret Voltaire.

Wachsen und gedeihen
Im Saal hängen noch die düsteren Tapeten der vergangenen Giger-Ausstellung, die morbiden Bilder werden nach und nach durch Neueres überklebt. So will es das Konzept. Schicht über Schicht werden die Wände gestaltet. Raimund Meyer, der hier als Kurator Teilzeit arbeitet, würde es allerdings extrem bedauern, wenn eine bestimmte Collage (Bild rechts) dereinst überkleistert würde. Sie stammt noch aus der Besetzerzeit und ist für ihn Dada pur.
Die dunkle Farbgebung und besagtes Schichtkonzept verleihen dem Raum etwas von der Aura des damaligen autonomen Jugendzentrums, das in Zürich nicht existieren durfte. Aber natürlich ist hier alles viel geordneter. Das Cabaret Voltaire hat sogar einen Direktor, Philipp Meier. Dieser kokettiert natürlich mit dem Titel, der wohl auch schon etwas Dadaistisches an sich hat. Das Haus hat also Konzept, es soll wachsen, langsam in eine Form, in neue Formen wachsen. Und es hat ein Programm. Veranstaltungen und Ausstellungen finden hier statt. Vieles ist möglich: Kunst, Musik, Tanz, Literatur. – Im unteren Raum geht soeben die Ausstellung «Die Dada-Baroness» zu Ende. Am Empfang kann Dada-Literatur käuflich erworben werden, eine Treppe hoch lädt im Café eine Präsenzbibliothek zur Auseinandersetzung mit dem Dadaismus ein.

Gemütliches Café
Gerade dieses Café ist eine wichtige Sache, denn es richtet sich nicht nur an ein Dada-interessiertes Publikum, sondern ist echt öffentlich, auch wenn Bilder an den Wänden die Dada-Historie nachzeichnen. Es hat eine Türöffnerfunktion, soll Schwellenängste in Luft auflösen. Hier lässt sich in gemütlicher Atmosphäre entspannt eine Tasse guten Kaffee (oder anderes) trinken, von Dienstag bis Sonntag ab 11.30 bis 19, am Donnerstag bis 23 Uhr – und immer wenn Veranstaltungen stattfinden. Über Mittag gibt es Suppe und Salate, und es sind Sandwiches und Kuchen zu haben, alles geliefert vom Café «Walthi» an der nahe gelegenen Schoffelgasse. Es verkehrt hier ein gemischtes Publikum: von Familien über Schüler zu deutschen Touristen bis zum Rentnerpaar. Auch offizielle Stadtführungen machen hier Halt. Und seit der Weihnachtsmarkt im unteren Raum abgehalten wurde, kommen vermehrt auch Leute aus der Nachbarschaft, Angestellte umliegender Geschäfte und Bewohner. Und es kommen einige der früheren Besetzer, mit einem Nostalgiegefühl, die die heutige Atmosphäre auch wieder irgendwie gut finden. Das Café ist übrigens eine eigene Organisation, funktioniert selbständig.
Niederschwelligkeit ist ein Anliegen der Verantwortlichen. So kann der Saal, wenn gerade keine Eigenveranstaltung stattfindet, für private Anlässe gemietet werden, und für öffentliche Fremdanlässe wird keine Miete verlangt. So soll das Haus bekannter werden und sich in der Zürcher Kulturlandschaft positionieren und fest verankern. Denn die Zeit läuft. Und bald wird zu entscheiden sein, ob und wie der als vierjähriger Versuch angelegte Betrieb verlängert werden kann.

Elmar Melliger


Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1, Tel. 043 268 57 20, www.cabaretvoltaire.ch.