Studentengesangsverein Zürich

Der Leitspruch der Zürcher Singstudenten lautet «Mein Lebenslauf ist Lieb’ und Lust und lauter Liederklang». Ihr Verbindungslokal ist die «Kantorei» am Neumarkt. Dieses Jahr feiern sie ihr 175-jähriges Bestehen. – Zwei «Alte Herren» berichten.

Als eine der mitgliederstärksten Verbindungen der Schweiz zelebriert der Studentengesangsverein Zürich (Zürcher Singstudenten) seit 1849 den akademischen Gesang, studentische Tugenden sowie die generationsübergreifende Geselligkeit und Freundschaft. Die politisch und konfessionell neutrale Lebensverbindung unter blau-weiss-blauer Fahne zählt zurzeit über zwanzig Aktive und gegen 300 Altherren. Die Zürcher Singstudenten glänzen mit ihrem durch Alte Herren ergänzten vierstimmigen Chor bei eigenen Produktionen sowie an kantonalen und eidgenössischen Sängerfesten, wo regelmässig höchste Auszeichnungen ersungen werden.

Singen, Kegeln und Bier
Die Zürcher Singstudenten, seit bald 60 Jahren in ihrem eigenen Verbindungshaus «Kantorei» am Zürcher Neumarkt heimisch, blicken auf eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Gesangstradition zurück. Bereits im Jahre 1818 bildete sich anlässlich der Dreihundertjahrfeier der zürcherischen Reformation eine «Singgesellschaft der Studenten». Hauptsächlich angehende Theologen trafen sich damals nebst musikalischen Proben zum Kegeln und zum gemeinsamen Bier, gefolgt von Ad-hoc-Konzerten.
Nach einer unruhigen Zwischenphase war es der musikalisch herausragende Wilhelm Baumgartner, der nach dem «Züriputsch» vom 6. September 1839 seine Mitstudenten aufforderte, einen Studentengesangsverein zu formieren. Der Chor florierte und erntete grossen Beifall in einer Zeit, in der sich Regierung und akademischer Geist konträr gegenüberstanden.
Ab 1842 festigte sich unter der Direktion von Franz Abt der Zusammenhalt der musizierenden Studenten, worauf der als musikalischer Leiter an den Dirigentenstab zurückgekehrte Wilhelm Baumgartner am 22. Januar 1849 aus der informellen Vereinigung eine feste Organisation gründete. Dieses Datum ist seither als Geburtstag des Studentengesangsvereins Zürich (StGV) vermerkt.

Musikalische Erfolge
Nebst dem Gründervater Wilhelm Baumgartner waren weitere musikalische Schwergewichte für die Leitung der Zürcher Singstudenten verantwortlich: Carl Attenhofer, dessen Volkslieder und Chorwerke das Schweizer Gesangswesen nachhaltig prägten, hielt dem Verein währen nahezu fünf Jahrzehnten die Treue. Unter seiner Leitung errang der Chor bei vier von sechs eidgenössischen Sängerfesten den ersten Lorbeer. Später dirigierte mit Hans Lavater ein leidenschaftlicher Singstudent 36 Jahre lang den StGV. Auf eidgenössischem Parkett ebenfalls vorzüglich abgeschnitten hat der StGV unter Ernst Hess. Der 1956 aus Ungarn emigrier-te Ladislaus «Lazi» Rybach sowie der seit 1997 amtierende Direktor Martin Baur komplettieren den Reigen der hervorragenden und erfolgreichen musikalischen Leiter; beide führten die Zürcher Singstudenten zu zahlreichen gesanglichen Höhepunkten. Einer davon dürfte vielen Zürcherinnen und Zürchern noch in bester Erinnerung sein: Der «Orpheus im Kaufleuten», eine zeitgemässe Adaption der Oper von Jacques Offenbach, welche die Zürcher Singstudenten, verstärkt durch professionelle Solistinnen und Solisten, einen Damenchor und begleitet von einem 20-köpfigen Orchester anfangs 2003 zur Aufführung brachten.
Gesang und lebenslange Freundschaftsbande bilden den Verbindungszweck. Daneben frönt jeder Singstudent – getreu dem Wahlspruch «Mein Lebenslauf ist Lieb’ und Lust und lauter Liederklang» – dem blau-weiss-blauen Frohmut. Dies unabhängig davon, ob man an der Uni, an der ETH oder an einer Fachhochschule studiert. Gerne erinnert man sich dann gemeinsam an unvergessliche musikalische Leistungen, an bisweilen auch überbordende Feste, Schabernack und Heiterkeit. Manch Alter Herr fühlt sich an den Anlässen der Aktivitas zurückversetzt in seine wilde Studentenzeit in trautem Freundeskreis.

Eigenes Haus
Generationenübergreifend werden die singstudentischen Werte seit 1967 in den Räumlichkeiten der «Kantorei» in der Zürcher Altstadt gelebt. Den seit langem gehegten Traum eines eigenen Lokals setzte eine Gruppe von acht Alten Herren in die Tat um, als sie den «Verein Verbindungshaus Zürcher Singstudenten» gründeten und 1966 das geschichtsträchtige Haus «Zur weissen Traube» am Neumarkt kauften. Ein Glücksfall, denn die «Kantorei» ist über die Jahre zum Leuchtturm der Verbindung geworden, zu dem die Zürcher Singstudenten jederzeit heimfinden.
Dieses Jahr, 2024, feiern die Zürcher Singstudenten ihr 175-jähriges Bestehen mit verschiedenen festlichen Anlässen, aber auch mit öffentlichen Chorauftritten: Das 145. Maieinsingen (30. April, 00.00 Uhr) findet wie immer auf dem Lindenhof statt, die neue Grossproduktion «Die lustige Witwe» im Theater Seefeld (Premiere, 29. November, gefolgt von sechs Vorstellungen).

Roman Zeller und Daniel Gundelfinger


Das 145. Maiensingen der Zürcher Singstudenten

Das Zürcher Maieinsingen steigt seit dem späten 19. Jahrhundert alljährlich auf dem Lindenhof in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai. Das Konzert beginnt exakt zu mitternächtlicher Stunde. Vierstimmige Lieder aus dem Programm der Zürcher Singstudenten, gestartet mit dem traditionellen «Der Mai ist gekommen!», schallen in die Frühlingsnacht. Anschliessend marschieren die Singstudenten fröhlich durch die Zürcher Altstadt und heissen den Frühling in der «Kantorei» willkommen.
Das Maieinsingen beginnt für die Besucherinnen und Besucher gegen 23 Uhr, wenn man sich vor der «Kantorei», dem Verbindungshaus der Zürcher Singstudenten am Neumarkt, versammelt. Blaue und weisse Lampions werden verteilt, es formiert sich die Schar: Der Präsident und sein Komitee zuvorderst, gefolgt von Fuxen, Burschen und dem Hauptharst, bestehend aus Alten Herren sowie den Damen und Gästen.
Den Weg zum Lindenhof via Limmatquai und über die Rudolf-Brun-Brücke geht der lange Zug der Zürcher Singstudenten schweigend. Kurz vor Mitternacht endet der feierliche Aufmarsch durch die Lindenhofstrasse mit einer Punktlandung auf dem Lindenhof: Traditionsgemäss wird mit dem Verklingen des letzten mitternächtlichen Glockenschlages das Konzert mit dem Lied «Der Mai ist gekommen!» eröffnet.
Nach einem halben Dutzend Liedern aus dem aktuellen singstudentischen Repertoire geht es zurück zur «Kantorei», wo die Jüngeren um die brennenden Lampions tanzend den Frühlingsanfang feiern, womit der öffentliche Teil endet.
Von 1879 ist das erste Maieinsingen überliefert, damals noch eine leicht suspekte Aktion und von der Polizei argwöhnisch beobachtet. Seither hat sich dies entspannt und der ganze Anlass darf alljährlich mit offizieller polizeilicher Bewilligung durchgeführt werden. Der schöne Brauch ist eine zürcherisch-einmalige Tradition, die seit nunmehr 145 Jahren (auch in den Kriegs- und Krisenjahren) gelebt und zelebriert wird; selbst im Corona-Jahr 2020 trafen sich vier Mitglieder auf dem Lindenhof, um – unter Beachtung der gesetzlich verlangten Abstände – mit entsprechender Bewilligung ein paar vierstimmige Lieder zu üben.
Auch dieses Jahr wird «Der Mai ist gekommen» vom Lindenhof herab ertönen – die Zürcher Singstudenten freuen sich auf zahlreiches Publikum und tolle Stimmung.

Roman Zeller und Daniel Gundelfinger