Grosse Aufgabe für kleines Quartier

Am 3. Oktober 2012 wurde der Trägerverein Altstadthaus gegründet. Das Quartier will mit diesem Engagement gewährleisten, dass das Angebot des allseits beliebten Gemeinschaftszentrums in wesentlichen Teilen erhalten bleibt.

Dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Zürcher Altstadt an ihrem Altstadthaus hängen, wird immer dann klar, wenn es diesem an den Kragen gehen soll.
In zwei Anläufen versuchte die Stadt Zürich, die Betriebsbeiträge für unseren kleinen, aber feinen Treffpunkt ganz oder teilweise zu streichen. Und zweimal gingen die Wellen hoch (vgl. Beitrag rechts unten).
Das erste Mal bewirkte unser Aufbegehren eine Stundung um vier Jahre. Beim zweiten Mal traf man sich nach mehreren Gesprächsrunden bei einem guten Kompromiss: Das Quartier stellt einen Trägerverein auf die Beine, übernimmt die Verantwortung für das Haus – und damit eine ganze Menge an ehrenamtlicher Arbeit. Im Gegenzug signalisiert die Stadt die Bereitschaft, weiterhin einen zwar reduzierten, aber immer noch substanziellen Betrag für Programm und Betrieb des Altstadthauses auszurichten.
Das Quartier tritt damit den Tatbeweis an, dass es nicht nur fordert, sondern auch bereit ist, (noch mehr) zu leisten.

Kleiner Aufwand, grosse Wirkung
Die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in allen kritischen Phasen für das Weiterbestehen GZ Altstadthaus eingesetzt haben, waren und sind von einer gemeinsamen Überzeugung getragen: unser «Quartierzentrum» spielt für die Quartieridentität eine entscheidende Rolle. Denn als Wohnquartier ist der Kreis 1 arg in der Defensive. Umso wichtiger sind für uns Orte, die wir als selbstbestimmt erleben und die uns eine Quartierheimat bieten. Das Altstadthaus ist für uns ein solcher Ort. Neuzuzüger haben hier einen sozialen Bezugspunkt, der den Einstieg ins Quartier erleichtert. Namentlich das Kinderprogramm vernetzt die ansässigen Familien, und die zahlreichen sozialen Events führen uns zusammen und bilden unseren Dorfplatz. Das ist uns etwas wert. Das Altstadthaus ist klein, so klein, dass sich vor Ort nur ein Teil des Programms entfalten kann. Das Altstadthaus findet im ganzen Quartier statt. Es öffnet seine Veranstaltungsräume am Lindenhof, am Neumarkt, im Pausenhof des Schulhauses Hirschengraben, an der St.-Peter-Hofstatt und überall im Quartier. Und wo das Altstadthaus seine Räume öffnet, arbeiten auch wir mit. Das angebotene Programm fördert nicht den passiven Konsum. Es etabliert die gemeinsame Aktivität. Genau hier traf die Absicht der Stadt, die Betriebsbeiträge einzustellen, einen sensiblen Nerv. Wir alle wollen uns engagieren, aber wir wissen genau: Ein gewisses Mass an Anstoss, an professioneller Hilfestellung, an schlichter Präsenz brauchen wir, wenn das fein geknüpfte Netz nicht zerreissen soll. Das Altstadthaus betreibt Soziokultur, wie die Erfinder dieses spröden Worts es sich vorgestellt haben: mit kleinem Aufwand eine grosse Wirkung erzeugen, Aktivitäten, die latent da sind, aktivieren und jene lokale Identität stärken, die für unsere Gesellschaft ungemein wertvoll ist.

Breit abgestützte Trägerschaft
Nach der Ankündigung der Stadt, das Altstadthaus direkt durch das Sozialdepartement zu führen und nur das Kinderprogramm stehen zu lassen, begannen schwierige und zähe Verhandlungen, die erst wieder in Schwung kamen, als die Idee einer Quartierträgerschaft auftauchte. Die Stadt würdigte diese Bereitschaft mit der Ankündigung, unter dieser neuen Ausgangslage sei ein Betriebsbeitrag von jährlich 150 000 Franken möglich. Obschon dieser Beitrag deutlich tiefer liegt und Einsparungen von rund 75 000 Franken erfordert, trat das Quartier auf das Angebot ein. Denn es wurde klar, dass auch unter diesen eingeschränkten Bedingungen ein aktives Altstadthaus mit einem Kernprogramm und einem eigenen Team möglich ist.
Die Gründung des Trägervereins erfolgte am 3. Oktober im Altstadthaus. Um den Verein im Quartier breit abzustützen, wurden alle relevanten Quartierkräfte angefragt – und alle erschienen! Bis Ende 2013 wird wie bis anhin die Stiftung Zürcher Gemeinschaftszentren für das Altstadthaus verantwortlich zeichnen. Das letzte Jahr unter der bisherigen Struktur wird leider ohne Marc Ulmer über die Bühne gehen, womit der Start im Jahr 2014, der zwingend eine Reduktion des Personals notwendig macht, bereits vorgespurt ist.

Grosse Herausforderung
Der neue Trägerverein wird einige nicht einfache Aufgaben zu bewältigen haben. Zum einen gilt es, ein Programm auf die Beine zu stellen, das mit den begrenzten Mitteln realisierbar ist und dennoch alle zentralen Angebote aufrechterhält. Es muss eines der wichtigen Ziele des Vereins sein, die zur Verfügung stehenden Mittel so zu erhöhen, dass im Altstadthaus bald wieder ein Dreierteam tätig sein kann. Neben Programm und Finanzen bedarf aber auch das Führen des Personals professionelle Strukturen. Mit Ulla Grob, die während vieler Jahre den Verband Kindertagesstätten der Schweiz als Geschäftsleiterin geführt hat, konnte der Verein eine rundum erfahrene Präsidentin finden. – Die Gründungsversammlung war ein erster wichtiger Schritt zur Sicherung der wichtigen Rolle, die das Altstadthaus in unserem Quartier ausspielen kann. Wer miterlebt hat, wie entschieden alle wichtigen Quartierkräfte gemeinsam ans Werk gingen, kann zuversichtlich sein, dass die Aufgabe gelingt!

Michael Schädelin


Der neue Verein
Vereinszweck: Der Trägerverein führt ab 2014 das Altstadthaus als Quartierzentrum für den Kreis 1 und verantwortet Betrieb und Programm. Zwecks Finanzierung schliesst der Verein mit der Stadt Zürich einen Leistungsvertrag ab. Der Verein vertritt alle relevanten und an einem Quartierzentrum interessierten Kräfte und verpflichtet sich, das Altstadthaus als offenes Haus zu führen, das der Gesamtbevölkerung im Kreis 1 zur Verfügung steht.
Die Mitglieder des Trägervereins:
Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat, Einwohnerverein Altstadt links der Limmat, Rennweg-Quartier-Verein, Elternverein Altstadt rechts der Limmat, Nachbarschaftshilfe Kreis 1, Verein Kinder-Mittagstisch Altstadt, Herausgeberverein Altstadt Kurier, Pfarrei Liebfrauen, Kirchgemeinden Fraumünster, Grossmünster, Predigern und St. Peter. Das Schulhaus Hirschengraben/Schanzengraben, das aus formaljuristischen Gründen nicht Vereinsmitglied sein kann, ist mit einem Sitz im Vorstand in den Verein eingebunden. MS

Altstadthaus-Chronik

2007: Breiter Protest
Am 2. Oktober 2007 kommuniziert das Sozialdepartement seinen Entscheid, per Ende 2008 die Betriebsbeiträge des GZ Altstadthaus zu streichen und den Betrieb dem Quartier zur «selbstorganisierten Nutzung» zu übergeben. Dies führt im Quartier zu breitem Widerstand. Zahlreiche Aktionen, die in der Presse breite Beachtung finden, bewegen die Stadt, den Betrieb um vier Jahre zu verlängern. Der grundsätzliche Entscheid jedoch wird nicht widerrufen. Allerdings wird vereinbart, zusammen mit dem Quartier eine Lösung zu suchen.

2011: Führung durch die Stadt?
Am 30. September 2011 informiert die Stadt, dass das GZ Altstadthaus per 2013 direkt durch das Sozialdepartement geführt werden soll. Die Stadt beabsichtigt, allein das Kinderprogramm beizubehalten und das Haus dem Quartier zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung findet im Quartier keine Akzeptanz, man fordert eine Aussprache.

2012: Gründung des Trägervereins
Nach längeren Verhandlungen nähert man sich an: Das Quartier gründet einen Trägerverein und zeichnet für den Betrieb verantwortlich.
Unter diesen neuen Voraussetzungen erklärt sich die Stadt bereit, ein Betriebskapital von 150 000 Franken pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Um diesen Übergang in Ruhe regeln zu können, wird die am 31. Dezember 2012 ablaufende Leistungsvereinbarung mit der Stiftung Zürcher Gemeinschaftszentren um ein weiteres Jahr verlängert. Sollten die Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung erfolgreich sein und der Gemeinderat den Plänen zustimmen, wird der Trägerverein Altstadthaus ab 1. Januar 2014 die Verantwortung für das Altstadthaus übernehmen.

MS