Die Kunst der Gastfreundschaft

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Sie überlegen, welches Lokal im Kreis 1 sieben Tage von früh bis spät offen ist und draussen wie drinnen Gäste bedient? Wie wärs mit dem Kunsthausrestaurant?

Der Abend Anfang August war höllisch. Dreissig Grad drückten die Stadt nieder. Doch vor dem Kunsthaus ging ein Lüftchen. Das tat uns wohl, obwohl ein Todesfall zu beklagen war. Brodo. Mein Freund Pablo Roos traute sich erst beim zweiten Glas Cure d’Attalens (Fr. 51.– die 7-Dezi-Flasche), mir zu erzählen, der Fuchs habe seinen Gockel geholt. Am Blutmond war das. Ich kannte Brodo. Aus sicherer Distanz. Er war gewehrig. Der Fuchs war flinker. Wir hoben das Glas auf Brodo. Sein Nachfolger krähte vor lauter Freude über den Abgang seines Widersachers 400 Mal. Pro Stunde. Nun lebt er neben der Autobahn, und nach Pablo kräht im Garten kein Hahn mehr.

Direkt beim Kunsthaus
Pablo bestellte Rindstatar mit Pommes (Fr. 35.–). «So scharf wie möglich», sagte er zu Gertrud, der sympathischen Kellnerin. Ich wählte Felchen im Bierteig (Fr. 35.50). Pablo hat sich ein neues Hobby zugelegt. Rum. Gebrannt in Ecuador, dort heisst er Ron. Der erste Brand schmecke leicht schlammig. Das käme von der Zuckerrohrmaische, er tüftle am Rezept. Pablo ist in Ecuador aufgewachsen. Schweizer Eltern. Im Militär schoben wir gemeinsam Wache. Auf dem Oberalp-Pass bei Arscheskälte. Pablo lieh mir seine Taschenheizung aus, eine Art Zigarrenetui mit langsam wegglühenden Kohlefingern drin. So wurden wir Freunde.
Ums Kunsthaus wird gebaut, Rodins «Höllentor» wurde verschoben. Es begrenzt vorübergehend den Garten des Restaurants. Viele Gäste stellen sich vor das Tor und laden ihre Selfies auf Instagram, wenige kennen die Geschichte der Lydia Welti-Escher, der das Plätzchen daneben gewidmet ist. Lydia war verheiratet, da verliebte sie sich in den Maler Karl Stauffer-Bern, als er ein Porträt von ihr anfertigte
(es hängt im Kunsthaus). Lydias Ehemann war nicht amüsiert. Sein Vater erreichte, dass sie ins Irrenhaus und Karl ins Gefängnis gesteckt wurde. Am Ende schieden Romeo und Julia aus Zürich mit gebrochenen Herzen aus dem Leben.

Soll ich Ihnen etwas Milch bringen?
Das Kunsthausrestaurant wird von der Remimag geführt, einer Familienfirma aus dem Kanton Luzern. Die Remimag hält sieben Hotels im Portefeuille und 28 Esslokale. In Zürich zum Beispiel die «Linde Oberstrass» und das «Albisgüetli», das nächstes Jahr für über ein Dutzend Millionen Franken renoviert werden soll.
Ich zupfe meine Felchen-Nuggets aus der Spitztüte und schiebe mir die krossen, weil zweimal frittierten Pommes in den Mund, als Pablo sagt: «Diese Sauce sollte man mit Vorsicht geniessen!» Gleich ist die Kellnerin zur Stelle und fragt: «Soll ich Ihnen etwas Milch bringen?» – «Danke, danke, es geht. Es muss.» Er griff sich ein Stück Toast und hüstelte leise: «Sie ist tatsächlich so scharf wie möglich.» Weder von Tatar noch Felchen noch Pommes blieb etwas auf den Tellern. Bloss etwas Sauce. Satt und zufrieden sahen wir uns im Garten des Restaurants um und entdeckten eine Tomatenpflanze mit reifen Früchten dran. Was für eine hübsche Idee.
Beim Espresso (für gnädige Fr. 4.60) erzählte Pablo, wie er voriges Jahr im Flieger nach Zürich sass. Über dem Ozean sagte das Kind der Nachbarin irritiert: «Mama, Mama, da kräht ein Hahn!» – «Das kann nicht sein, Schatz, wir sind 10 000 Meter in der Luft. Du hast geträumt! Schlaf weiter, Liebes!» – «Aber ich hab ihn gehört, da ist ein Hahn!» Pablo schwieg. Im Bauch des Fliegers, in der geheizten Abteilung für Tiere, krähte tatsächlich ein Hahn. Das war Brodo.

René Ammann*

Restaurant «Kunsthaus», Heimplatz 1, 8001 Zürich,
Tel. 044 251 53 53, Montag bis Freitag 8 bis 24 Uhr, Samstag 9 bis 24 Uhr, Sonntag 8 bis 23 Uhr, Sonntags
9 bis 14 Uhr Brunch. www.kunsthausrestaurant.ch.


*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Pablo Roos. Er war Banker und importiert nun Weine und (bald) Rum aus Ecuador (www.vinjapa.ch).